Kieler Minister gibt Gymnasien nach Protesten mehr Zeit für Wahl zwischen G8 und G9. Dadurch aber bekommen Eltern Probleme bei der Anmeldung

Kiel. Für Schleswig-Holsteins Bildungsminister Ekkehard Klug wird es eng. Der FDP-Politiker räumte gestern in einer Sondersitzung des Landtags-Bildungsausschusses bei der Umsetzung seines bundesweit einzigartigen Abi-Modells einen weiteren Schnitzer ein. Die Opposition befürchtet Folgepannen und warf Klug vor, ein schulpolitisches Chaos anzurichten. Einen Rücktritt lehnte der Minister ab.

Streitpunkt ist das erst vor drei Wochen verabschiedete Schulgesetz, mit dem Schleswig-Holstein einen Sonderweg einschlägt. Die 100 Gymnasien dürfen wählen, ob sie beim Turbo-Abi (G8) bleiben, zum Langsam-Abi (G9) zurückkehren oder beide Wege zur Hochschulreife anbieten. Im Ausschuss warb Klug erneut für das Langsam-Abi. "Mein Anliegen ist, G9-Angebote im gymnasialen Bereich zu ermöglichen." Der Minister gab zugleich zu, dass sein Zeitplan zu ehrgeizig gewesen sei und zugunsten der Kreise und Städte korrigiert werde. Sie sind Träger der Gymnasien und hatten mit CDU-Schützenhilfe dagegen protestiert, dass sie schon bis zum 23. Februar ihr Votum zum örtlichen Abi-Modell abgeben sollten.

Die Frist sei für einige Schulträger "zu kurz" gewesen, ruderte Klug zurück. Die Kreise und Städte sollen nun bis Mitte März Farbe bekennen, in Ausnahmefällen sogar erst Ende März. Mit diesem Aufschub gerät allerdings der gesamte Zeitplan des Ministers ins Rutschen. Grund: Das Anmeldeverfahren für Fünftklässler an Gymnasien läuft am 14. März an, also zu einem Zeitpunkt, an dem einige Lehranstalten noch gar nicht wissen können, ob sie Schülern G8, G9 oder beide Modelle anbieten. "Das bringt für alle Beteiligten große Unruhe und Unsicherheit", warnte die Lehrergewerkschaft GEW.

Von den landesweit 100 Gymnasien tendiert ein gutes Dutzend zu G9 oder zu einem Mischmodell. Mancherorts gibt es darüber schon Streit mit dem Schulträger. Beispiel Barmstedt: Das Friedrich-Weizsäcker-Gymnasium möchte ein Mischmodell, die Stadt favorisiert ein reines G8-Angebot. Beispiel Schleswig: Die Domschule, eines der ältesten Gymnasien im Norden, möchte zu G9 zurückkehren, die Stadt lehnt das ab. In solchen Konflikten hat das Ministerium in Kiel das letzte Wort. "Wir werden jeden Einzelfall prüfen", versprach Klug. Wann es für Schüler, Eltern und Lehrer Gewissheit gibt, ließ er offen.

Umso klarer bekannte sich Klug zu seinem ersten Schnitzer, dem "Psycho-Erlass". Dieser sollte Gymnasien mit einem G8/G9-Angebot helfen, so bei einer Überbuchung der Langsam-Abi-Klassen geeignete Schüler herauszufiltern, etwa mit ärztlichen Attesten. "Der Erlass-Entwurf enthielt nicht tragbare Formulierungen" und sei deshalb zurückgezogen worden, sagte Klug. "Der Entwurf war ein Fehler, den ich auf meine Kappe nehme." Mit im Regen steht FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Er hatte eine "sozialdemokratisch durchzogene Bürokratie" im Schulministerium für den Erlass verantwortlich gemacht, obwohl er von Klug vorher erfahren hatte, dass der Entwurf vom Minister freigegeben worden war.

Einen Termin für einen überarbeiteten Erlass-Entwurf nannte Klug nicht. Auf Nachfrage schloss er nicht aus, dass das Ministerium auf eine Neuauflage verzichtet und den Gymnasien selbst überlässt, wie sie Schüler auf G8- und G9-Klassen verteilen.

Ein weiterer Konflikt zeichnete sich am Rande der Sondersitzung ab. Im Gespräch mit dem Abendblatt machte Klug deutlich, dass Gymnasien ihre Entscheidung für ein Abi-Modell in einem Jahr ändern könnten. "Das ist prinzipiell nicht ausgeschlossen." Für eine solche Änderung müsse es aber schwerwiegende Gründe geben.

Rückendeckung bekam Klug in der Sitzung nur von der FDP. Die mitregierende CDU, die auf G8 setzt, hielt sich bedeckt. Die Opposition rechnete mit dem Minister ab. "Es steht in den Sternen, ob das Schulgesetz jemals geordnet umgesetzt werden kann", kritisierten die Grünen. Klug habe kein Konzept.

Den dicksten Rüffel bekam der Minister von der Lehrergewerkschaft GEW: "Was Klug anfasst, misslingt."