Bei Tauwetter stürzen Kreidefelsen ab, Steilküsten rutschen weg. Experte rechnet mit weiteren Abbrüchen in den nächsten Wochen

Sassnitz/Rügen. Die Wahrzeichen der Insel Rügen, die mächtigen Kreidefelsen, brechen weg. Aufgrund des Tauwetters stürzten nördlich von Sassnitz zu Wochenbeginn etwa 1000 Kubikmeter Kreide mitsamt einigen Bäumen mehr als 80 Meter tief an den Strand. Andernorts auf der beliebtesten Ferieninsel Deutschlands rutschten Steilhänge weg. "Es kann sein, dass es in den nächsten Tagen und Wochen noch mehr Abbrüche gibt", sagte der Leiter des Nationalparks Jasmund, Michael Weigelt.

Zu dem Park gehören die Kreidefelsen, in deren Rissen das Wasser im Winter gefriert. "Das Eis wirkt zunächst wie Kitt", erläuterte Weigelt. Bei Tauwetter gebe es Abbrüche, selten so große wie am Kollicker Ufer, wo es schon vor zwei Monaten kräftig krachte. Damals donnerten 10 000 Kubikmeter Kreide in die Tiefe. Alltag seien im Winter und Frühjahr kleinere Abbrüche entlang der 13 Kilometer langen Kreideküste. Am Klifffuß liegen überall Kreidestücke wie abgeblätterter Putz.

Nur 200 Meter entfernt von der Kliffkante steht das Gasthaus von Wolfgang Strehlow allein im Wald. "Ich mache mir keine Sorgen", sagte er und verwies auf den Greifswalder Professor Martin Meschede. Der Geologe geht davon aus, dass die Kreideküste in einem Jahrhundert im Schnitt nur 20 bis 30 Meter wegbröckelt. "Bis ich Seeblick habe, wird es dauern", so Strehlow.

Die Tourismuszentrale warnt derweil vor Spaziergängen an der Kreideküste. Gesperrt ist der Strand aber nicht. "Wir wissen nicht, wo und wann es bröckelt", so Weigelt. An der Kreideküste kam zuletzt ein Spaziergänger vor mehr als 70 Jahren ums Leben.