Der 31 Jahre alte Mann wurde im sogenannten Onkelmordprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Indizienprozess dauerte vier Monate.

Lübeck. Er hatte kaum eigenes Einkommen, lebte aber gerne auf großem Fuß. Als ihm die Schulden über den Kopf wuchsen, besann er sich des Onkels seiner Ehefrau. Der 75-Jährige musste sterben, damit sein Neffe seine Wertgegenstände zu Geld machen konnte. Am Ende eines viermonatigen Indizienprozesses hat das Landgericht Lübeck den 31 Jahre alten Familienvater wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Angeklagte nahm das Urteil mit derselben Haltung auf, die er während des gesamten Prozesses an den Tag gelegt hatte - mit demonstrativ zur Schau gestelltem Desinteresse.

Vier Monate lang hatte der massige Mann mit dem kahl rasierten Schädel den Zuschauern im Gerichtssaal den Rücken zugekehrt. Zu den Vorwürfen der Anklage hatte er geschwiegen, während der Urteilsbegründung gähnte er ungeniert.

Doch auch wenn die Verteidigung in ihrem Plädoyer den großen Unbekannten als möglichen Täter ins Spiel gebracht hat, ließ das Gericht in seinem Urteil keinen Zweifel. "Wer 22-mal mit großer Wucht und gezielt auf einen anderen Menschen einsticht, der hat den Vorsatz zu töten", sagte der Vorsitzende der I. Großen Strafkammer, Christian Singelmann.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte den 75 Jahre alten pensionierten Vermessungsingenieur am Morgen des 30. Januar 2010 in dessen Haus in Lübeck-Travemünde ermordet und beraubt hat, nachdem er ihn bereits im Sommer 2009 bestohlen hatte. Nach der Tat fuhr er zu einer Bank in Travemünde und plünderte das Konto des Toten. Dann fuhr er zurück zum Haus des Onkels, legte die EC-Karten wieder an ihren Platz und schlug die Scheibe der Terrassentür ein, um einen Einbruch vorzutäuschen.

Mit dem Auto des Toten fuhr der Angeklagte zurück nach Isernhagen bei Hannover. Am nächsten Tag - einem Sonntag - verkaufte er Schmuck und Sammlermünzen an einen Münzhändler in Hannover, auch das Auto verkaufte er bald darauf. Dem Münzhändler hatte er erklärt, die Münzen würden aus einer Erbschaft stammen, wie der Händler als Zeuge vor Gericht ausgesagt hatte. Bei der Polizei hatte der Angeklagte angegeben, er habe den alten Herren besucht, weil der ihm sein altes Auto verkaufen wollte. Er habe noch im Auftrag des Onkels Geld von der Bank geholt und sei dann zurück nach Isernhagen gefahren. Bei seinem Abschied habe der ihm noch zugewinkt. Dies wurde durch Zeugenaussagen von Nachbarn widerlegt. Als der Angeklagte wegfuhr, stand niemand in der Haustür

"Die auf den ersten Blick logische Geschichte des Angeklagten ist durch Zeugenaussagen, Gutachten und die Spurenlage widerlegt", sagte Singelmann. Vor allem die eingeschlagene Scheibe sei ihm zum Verhängnis geworden. "Bruchstücke der Scheibe fanden sich auf dem Fahrer- und dem Beifahrersitz im Auto, das der Angeklagte mitgenommen hatte. Diese Glaspartikel können nur durch ihn selbst dorthingelangt sein", sagte der Richter.

Staatsanwalt Dirk Hartmann hatte nach der Beweisaufnahme davon gesprochen, dass der Angeklagte systematisch das Vertrauen seines Opfers erschlichen habe. "Obwohl er bis dahin kaum Kontakt zu dem Onkel seiner Frau hatte, besuchte er ihn im Sommer 2009 plötzlich häufiger, verbrachte mit seiner Familie sogar einen Teil der Ferien bei ihm. Diesen Aufenthalt nutzte er, um aus dem Haus Schmuck und Sammlermünzen zu stehlen", sagte Hartmann. Diese Gegenstände verkaufte der Angeklagte. Dabei sei ihm der Gedanke gekommen, dass da mehr zu holen sei.

Doch der Onkel hatte den Diebstahl bemerkt und Verdacht gegen den Neffen geschöpft. Zeugen gegenüber habe er geäußert, er wolle mit dem Angeklagten nichts mehr zu tun haben und ihn in seinem Haus nicht mehr sehen, sagte Hartmann. Dennoch sei der Angeklagte im Januar 2010 wieder in das Haus des Onkels gekommen, bewaffnet mit einem Messer und einer Brechstange. Als der 75-Jährige den Angeklagten im Haus überraschte, habe der Neffe sofort zugestochen. "Es gab keine Kampfspuren und keine Abwehrverletzungen", sagte der Staatsanwalt.