Neun Unternehmer engagieren sich zusammen für ein Leben außerhalb der Metropolen. Mit dem Projekt gewannen sie einen Wettbewerb.

Quern. JWD. Janz weit draußen leben Stefanie und Torben Höner. Draußen in der Gemeinde Quern in der Region Angeln in Schleswig-Holstein. Eine hügelige Landschaft zwischen Flensburger Förde und Schlei. Ein Gebiet, das vor allem vom sanften Tourismus lebt. Viele Dörfer in Deutschland leiden unter dem Wegzug der Jugend, Jobs gibt es nur wenige, lebendige Ortschaften drohen häufig zu veröden. Das Ehepaar Höner und acht andere Gewerbetreibende aber stellen sich der Landflucht entgegen und zeigen, dass das Wohnen und Arbeiten außerhalb der Metropolen auch für moderne Menschen und junge Familien möglich ist. Für ihr Engagement haben sie eine Auszeichnung bekommen.

"Landwerk" heißt der Zusammenschluss von neun Gewerbetreibenden aus der 1400-Einwohner-Gemeinde Quern. Initiiert hat ihn Mathias Jürgensen, der mit historischen Baustoffen handelt. "Das sind hier alles tolle Betriebe. Wir können alle vor Ort arbeiten und davon leben." Das Projekt, das eine gemeinsame Internetseite betreibt, wurde ausgezeichnet als einer von "365 Orten im Land der Ideen" als ein Projekt, das neue Wege aufzeigt. Die, die sich zum Landwerk zusammengetan haben, sind alle um die 40, selbstständig in unterschiedlichen Branchen. Was sie außerdem gemein haben: Sie wissen um den Wert alter Häuser, weil sie alle ihr Gewerbe in historischen Speichern betreiben, in Bauernhöfen, Ställen und einer ehemaligen Meierei an der Straße zwischen Kalleby und Nübelfeld.

'In der Pampa', könnte man böswillig sagen. Aber sie leben ländlich, so wie sich das viele Menschen wünschen, weiß Sabine Koppe vom Trendbüro in Hamburg: "Die Sehnsucht, auf dem Land und in der Natur zu leben, ist groß. Immer mehr Leute versuchen, das zu verwirklichen." Viele wagen den Schritt aufs Land erst im Rentenalter, oder sie kaufen sich dort eine Zweit- oder Ferienwohnung. Es gäbe dieses romantische Ideal vom Leben auf dem Land, das ja auch zahlreiche Fachzeitschriften und Fernsehsendungen zum Thema haben. "In der Realität funktioniert das Landleben oft nicht so wie erhofft. Diese Magazine geben dann Ratschläge."

Jörg Müller-Kern hat nie Ratschläge benötigt. Der Metallbildner betreibt eine Werkstatt in der ehemaligen Getreide-AG. Aufgewachsen ist er in Flensburg, ein Stadtkind also. Aber Jörg Müller-Kern hat ich auf dem Rückweg von seiner dreieinhalbjährigen Walz "in diese Landschaft verliebt" und ist geblieben. Der 38-Jährige hat für die Hamburger Laeiszhalle an der Beleuchtung im Foyer mitgearbeitet. Viele seiner Kunden kommen aus Hamburg. Dort hat er eine Zeit lang gelebt, aber die Großstadt ist nichts für ihn: "Auf dem Land geht es gemächlicher zu. Diese Schnelligkeit, dieser Stress in der Stadt - dort fehlt es an Möglichkeiten, mal Luft zu holen." Zu seinen Kunden gehören Scheichs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Oman, die sich von dem Handwerker zum Beispiel vergoldete Treppen in ihre Privatjets einbauen lassen. An dem Landwerk-Projekt schätzt Müller-Kern das Miteinander und das Vertrauen: "Der eine von uns verkauft alte Stallfenster, und ich repariere sie dann." Die gegenseitigen Empfehlungen bringen neue Kunden.

Gleich nebenan lebt und arbeitet sein Zwillingsbruder Kai, der mit Antikmöbeln handelt und alte Sachen restauriert. Er ist glücklich auf dem Land: "Meine Kinder wissen, wie man Hühner füttert. Ich liebe das Landleben mit Tierhaltung und echter Substanz." Die Architektin Claudia Litzki, auch beim Landwerk, sagt: "Wenn man auf dem Dorf arbeitet, muss man auf sich aufmerksam machen. Allein ist das schwierig." Sie kommt ursprünglich aus dem niedersächsischen Uelzen, hat in Stuttgart studiert und sich dann gemeinsam mit ihrem Mann Mathias Jürgensen für das Landleben entschieden. 22 Kilometer von Flensburg entfernt, inmitten von Hügeln, lässt sich tatsächlich Geld verdienen. "Kunden aus den Ballungszentren kriegen vor Staunen den Mund nicht mehr zu, dass man hier wohnen und arbeiten kann", sagt Torben Höner. Der 40-Jährige verkauft gebrauchte Mercedes-Fahrzeuge. Seine Kunden bekommt er übers Internet, durch Zeitungsanzeigen in den Metropolen und über Mund-zu-Mund-Propaganda. Ehefrau Stefanie vermietet Ferienwohnungen. Ursprünglich wurden die Häuser in der Gegend landwirtschaftlich genutzt. Heute gibt es nur noch acht Landwirtschaftsbetriebe.

Die Gegend scheint als Firmensitz attraktiv: Der Buchverlag Novalis hat sich gerade hier niedergelassen. Eine Schuhmacherin wird wohl bald das zehnte Mitglied beim Landwerk sein. Die Einwohnerzahlen bleiben seit Jahren konstant. Wer hier einmal lebt, will meistens nicht mehr weg. "Die Heimatverbundenheit ist sehr groß", sagt Stefanie Höner. Einen Besuch in der Stadt genießt sie sehr. "Dann setzen wir uns in ein Café, trinken Cappuccino. Das ist für uns mondän", sagt Claudia Litzki. Zu Hause gibt es dann wieder handgebrühten Kaffee, Ruhe und viel Natur.