Der Koloss von Prora, eine kilometerlange NS-Ferienanlage, war nie als solche in Betrieb gegangen.

Prora. Die Nationalsozialisten bauten den "Koloss von Prora" als gigantische Ferienanlage für 20 000 Menschen, jetzt soll eine Jugendherberge in den leer stehenden Bau einziehen. An diesem Sonnabend beginnt mit einer symbolischen Grundsteinlegung der 16,3 Millionen Euro teure Umbau des Blockes 5. Damit wird im ersten Teil des denkmalgeschützten Baus eine nachhaltige Nutzung möglich, wie Landrätin Kerstin Kassner (Linke) am Freitag sagte. Die Jugendherberge mit 98 Zimmern und 400 Betten soll 2011 eröffnen. Die Nationalsozialisten hatten den Bau am Ostseestrand der Insel Rügen als "Seebad der 20 000" geplant, es ging aber als solches nie in Betrieb. Zu DDR-Zeiten wurde das Gelände von der Nationalen Volksarmee (NVA) genutzt. Von der Gesamtanlage sind 2,5 Kilometer Gebäude noch nutzbar, die restlichen zwei Kilometer sind Ruine.

Parallel zur Grundsteinlegung will der sächsische Aktionskünstler Arne Nowak am Wochenende mit einer spektakulären Kunstaktion am Bau beginnen. Werke von 800 Künstlern aus der ganzen Welt sollen bis zum nächsten Sommer an den Bau montiert oder um ihn herum aufgestellt werden. Mit diesem "Weltkulturprojekt" will Nowak Prora zur größten Open-Air-Galerie der Welt machen, wie er sagte. Die ersten 20 Großbilder (5 mal 10 Meter) von Künstlern aus Äthiopien, Brasilien, Thailand, Holland, Spanien, England und Deutschland sollen zum Start des Projekts am Sonnabend in Prora präsentiert werden.

Der Bund hatte nach der Wende die zwischen 1936 und 1939 gebaute und insgesamt 4,5 Kilometer lange NS-Ferienimmobilie übernommen und nach dem Abzug der Bundeswehr 1992 ein Nutzungskonzept erarbeiten lassen. In den Jahren 2005 und 2006 verkaufte der Bund dann Teile der Mega-Anlage an verschiedene Privatinvestoren und den Landkreis Rügen. Historiker kritisierten den Verkauf als Rückzug des Bundes aus der politischen Verantwortung. Neben der Jugendherberge im vom Landkreis gekauften Block 5 und einem dort geplanten Begegnungszentrum sollen in den Blöcken 1 und 2 ein Hotel und Ferienwohnungen, im Block 3 ein Jugendsport- und Ferienhotelkomplex entstehen. Allerdings gibt es bisher keinen rechtskräftigen Bebauungsplan. Sollten alle Projekte umgesetzt werden, entstünden in Prora 3000 Gästebetten.

Beim Umbau zur Jugendherberge soll die Grundform des Gebäudes erhalten bleiben, versicherte das Bauamt. Alle Zimmer sind zur Meerseite ausgerichtet und erhalten Waschbecken, Dusche und WC.

Unterdessen gibt es auch Kritik von ehemaligen Bausoldaten der NVA. Die historische Bedeutung des Baus lasse sich nicht allein auf die NS-Geschichte reduzieren, teilte der Verein "Denk-Mal-Prora" mit. "Gerade in diesem Block haben Tausende von Menschen Unsägliches im Visier der Staatssicherheit erlebt", sagte der Vereinsvorsitzende Stefan Wolter.

Der Verein kämpft dafür, den einzigen erhaltenen authentischen Klubraum aus NVA-Zeiten als "Zeitfenster" zu erhalten.

Selbst das überregional bekannte Dokumentationszentrum, das sich mit der Vergangenheit von Prora und der Sozialgeschichte der NS-Diktatur auseinandersetzt und im vergangenen Jahr 82 000 Besucher zählte, bangt um seine Zukunft. Der Mietvertrag läuft zum Jahresende aus.

Der Betreiber, die Stiftung Neue Kultur, rechne mit dem Rauschmiss, sagt Ausstellungsleiter Jürgen Rostock, der mit seinem Team schon seit sechs Jahren spezielle Bildungsangebote für Schulklassen anbietet.