Zahl der Teenager, die wegen Alkoholrauschs in Krankenhäuser eingeliefert werden, nimmt dramatisch zu

Hannover. Von einer "Generation Suff" will die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, ausdrücklich nichts wissen. Schließlich ist der Alkoholkonsum von Jugendlichen insgesamt leicht rückläufig. Was die Drogenbeauftragte aber ebenso alarmiert wie die Krankenkasse KKH-Allianz: Immer mehr Kinder greifen schon zur Flasche. Das Resultat ist, dass die Zahl der Teenager, die als Alkoholnotfälle in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten, sich zwischen 2000 und 2008 auf 25 700 fast verdreifacht hat. Das von der Drogenbeauftragten und der Krankenkasse an ihrem Sitz Hannover vorgelegte "Weißbuch Prävention" belegt vor allem die Folgen der veränderten Trinkgewohnheiten. Der erste Alkoholkonsum findet inzwischen im Regelfall schon mit 13,2 Jahren statt, mit 13,9 Jahren gibt es die erste Rauscherfahrung. Und auch die Notfallbehandlung wegen Alkoholvergiftungen reicht immer häufiger nicht mehr aus, um die Trinkgewohnheiten zu ändern. Laut Studie der Krankenkasse hat sich zwischen 2001 und 2008 allein die Zahl derjenigen 17- bis 21-Jährigen versechsfacht, die mehr als einmal im Jahr im Krankenhaus landen. Das sind sieben Prozent dieser Altersgruppe.

Und dies, obwohl inzwischen in über 120 Krankenhäusern eine Nachsorge üblich ist, Fachleute an Ort und Stelle mit den Jugendlichen und den Eltern sprechen, Hilfe anbieten.

Gerade in der Gruppe der jüngsten Betroffenen macht der Drogenbeauftragten und FDP-Bundestagsabgeordnete Mechthild Dyckmans noch ein zweiter Negativtrend Sorgen. Bei den 12- bis 14-Jährigen werden inzwischen mehr Mädchen als Jungen mit schweren Alkoholvergiftungen ins Krankenhaus gebracht.

Mädchen, so erläutert die Drogenbeauftragte, sind im Regelfall weniger an Alkohol gewöhnt und vertragen auch weniger: "Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass Alkohol nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen gehört, dazu muss aber auch der Jugendschutz konsequent umgesetzt werden."

Allerdings bleibt die Juristin Dyckmans auf Distanz zum niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Der hat für flächendeckende Kontrollen im Einzelhandel gesorgt und dafür, dass inzwischen regelmäßig bei Verstößen Bußgelder fällig werden. Bei den Kontrollen werden auch jugendliche Alkohol-Testkäufer eingesetzt. Dies bedürfe, so die Drogenbeauftragte, zuvor einer gesetzlichen Grundlage, die bislang aber nur Baden-Württemberg geschaffen habe.

Ingo Kailuweit, der Vorstandschef der KKH-Allianz, beklagte auf der gemeinsamen Präsentation der Untersuchung, dass Alkohol in Deutschland zu den legalen, gesellschaftlich anerkannten Drogen gehöre. "Das heißt aber gerade nicht, dass der Umgang mit Alkohol problemlos verläuft. Die genannten Zahlen machen deutlich, wie groß das Problem ist, dem wir uns stellen müssen." Die Patientenerhebungen seines Hauses belegten auch den deutlichen Anstieg anderer Krankheitsbilder wie Essstörung, Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung ADHS und Kopfschmerzen im Jugendalter.

Vor diesem Hintergrund fordert Kailuweit, Gesundheitsförderung und Prävention müssten feste Bestandteile des Schulunterrichts werden. Auch der Bildungsstand hat Auswirkungen auf das Konsumverhalten bei Alkohol: Gymnasiasten trinken laut Untersuchung im Regelfall weniger als Haupt- und Realschüler.

Das "Weißbuch Prävention" weist aber auch aus, dass es sehr große regionale Unterschiede gibt. Die Analyse der Patientendaten ergab, dass die Wahrscheinlichkeit einer alkoholbedingten stationären Krankenhausbehandlung in Bremen am höchsten liegt mit einem Faktor von 0,72 Prozent der Altersgruppe der 17- bis 21-Jährigen. Niedersachsen und Schleswig-Holstein bewegen sich mit einer Wahrscheinlichkeit um 0,43 Prozent im Mittelfeld. Und positives Schlusslicht im Bundesvergleich ist Hamburg mit 0,26 Prozent.