In Schleswig-Holstein handeln Politiker das neue Wahlrecht aus. Dabei wird auch schon mal getrickst

Kiel. Offiziell beginnt das große Poker um ein neues Wahlrecht in Schleswig-Holstein erst in der nächsten Woche. Inoffiziell ist bereits klar, dass die Partie auf eine Mini-Reform hinausläuft, die auch künftig Mammut-Landtage mit weit mehr als den angestrebten 69 Abgeordneten ermöglicht. Der Bund der Steuerzahler ging gestern vorsorglich schon einmal auf die Barrikaden. Aus seiner Sicht reichen für ein kleines Bundesland wie Schleswig-Holstein 51 Abgeordnete völlig aus.

"Wir brauchen ein Wahlrecht, das den Landtag deutlich verkleinert", sagte der Präsident des Steuerzahlerbundes, Hartmut Borchert. Die Politiker hätten dazu nach den Urteilen des Landesverfassungsgerichts eine gute Möglichkeit.

Das Gericht hatte vor zwei Monaten das Wahlgesetz kassiert, weil es wegen der hohen Zahl der 40 Direktwahlkreise bei nur 29 Listenmandaten übergroße Landtage ermöglicht. Derzeit sitzen 95 Politiker im Parlament. Bei einem Ausgleich aller Überhangmandate wären es sogar 101 Abgeordnete.

Alle sechs Fraktionen im Landtag haben inzwischen jeweils eigene Modelle entwickelt. CDU und SPD möchten möglichst viele Wahlkreise erhalten, die Union am liebsten 37, die SPD mindestens 35. Grund: Über die Wahlkreise sind bisher nur Politiker der Volksparteien in den Landtag eingezogen. Das Risiko von Überhangmandaten wollen CDU und SPD vor allem durch eine Rückkehr zum Einstimmenwahlrecht begrenzen. Von der Zweitstimme profitieren dank Splitting insbesondere kleine Parteien. FDP, Grüne, SSW und Linke lehnen eine Abschaffung der Zweitstimme daher klar ab.

Die Rolle des Schiedsrichters im Kampf der großen gegen die kleinen Parteien hat Landtagspräsident Torsten Geerdts (CDU) übernommen. Er will am Mittwoch bei einem ersten "Sondierungsgespräch" mit allen Fraktionen einen Kompromiss ausloten und in den Folgetagen jeden der sechs Fraktionschefs einzeln ins Gebet nehmen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende eine breite Mehrheit bekommen", sagte Geerdts.

Wo die Reise hingeht, zeichnete sich allerdings schon in dieser Woche ab. Hinter verschlossenen Türen verhandelten die Regierungsfraktionen CDU und FDP über einen gemeinsamen Vorschlag für ein neues Wahlgesetz. "Einige Punkte konnten schon abgehakt werden, andere nicht", sagte FDP-Sprecher Frank Zabel. Sein CDU-Kollege Dirk Hundertmark hielt sich ebenfalls bedeckt. "Es wurde Stillschweigen vereinbart." Heute sollen die Fraktionschefs Christian von Boetticher (CDU) und Wolfgang Kubicki (FDP) den Knoten durchschlagen.

Dem Vernehmen nach sind CDU und FDP sich im Kern längst einig. Die Zahl der Wahlkreise soll etwas reduziert werden. Im Gespräch sind 33 bis 35 Wahlkreise, wobei die CDU um jeden einzelnen erbittert kämpft. Denn alle 34 CDU-Abgeordneten sind Direktkandidaten, also über einen Wahlkreis in den Landtag gekommen. Jeder Christdemokrat kann sich ausrechnen, bei welcher Wahlkreiszahl seine Polit-Karriere gefährdet oder sogar beendet ist.

Die Zweitstimme will Schwarz-Gelb erhalten. Der Sieg der FDP verschärft allerdings das Grundproblem. Bei einem nur mäßigen Abbau von Wahlkreisen und dem Fortbestand der Zweitstimme ist die in der Verfassung verankerte Zielgröße für den Landtag (69 Sitze) kaum einzuhalten.

Um die Vorgaben des Gerichts gleichwohl zu erfüllen, soll zu einem Trick gegriffen werden. Insbesondere die CDU will die Verfassung ändern, der Zielgröße 69 ein "mindestens" voranstellen. Mammut-Landtage wären damit verfassungsrechtlich abgedeckt.

Eine solche Verfassungskorrektur kann Schwarz-Gelb allerdings nicht im Alleingang beschließen. Nötig ist eine Zweidrittelmehrheit, also entweder die Zustimmung aus den Reihen von Grünen, SSW und Linken oder von der SPD. Erste Gespräche mit den Genossen hat es bereits gegeben. Sie wären zu der Mini-Reform samt Verfassungsänderung wohl bereit, wenn CDU und FDP der SPD an anderer Stelle entgegenkommen und die vom Verfassungsgericht angeordnete Neuwahl des Landtags einige Monate vorziehen würden. Im Gespräch ist Anfang 2012.