Zweiter Todesfall auf der Holtenauer Hochbrücke. 31-Jähriger wird über das Geländer geschleudert

Kiel. Der junge Kieler hatte den Scheitelpunkt der mehr als 500 Meter langen Holtenauer Hochbrücke bereits überwunden, nahm mit dem Gefälle Geschwindigkeit auf, als er das große Verkehrsschild passierte, das am Rand des Fuß- und Radweges steht. Mit vier Meter Höhe ist das Verkehrsschild, das vor einer Baustelle warnt und einen Meter in den Radweg ragt, eigentlich nicht zu übersehen.

Dennoch wurde es dem 31-Jährigen, der in Richtung Innenstadt fuhr, zum Verhängnis, glaubt die Polizei. Der Radfahrer soll das Schild mit dem weiß getapten Rennradlenker berührt, die Kontrolle über das Rad verloren, gegen das Brückengeländer geknallt und dann von der Wucht des Aufpralls über das Geländer geschleudert worden sein. 40 Meter ragt die Hochbrücke an diesem Punkt - aus Kiel kommend auf Höhe des letzten Pfeilerpaares vor dem Nord-Ostsee-Kanal - in die Höhe.

Der junge Mann überlebte den Sturz nicht. Sein Leichnam wurde am Donnerstagabend kurz nach 20 Uhr am Ufer des Kanals von Streifenpolizisten in Kiel gefunden. Eine Passantin hatte zuvor das weiße Rennrad auf dem Brückenbeton liegend aufgefunden, das Vorderrad verbeult - und kein Fahrer weit und breit. Sie rief die Polizei, die daraufhin die nähere Uferumgebung absuchte und die schreckliche Entdeckung machte, sagte Polizeisprecherin Tanja Emmen dem Abendblatt.

Bei der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Kiel äußerte man sich zurückhaltender: Noch sei offen, welche Umstände zum Tod des Mannes geführt hätten, sagte Oberstaatsanwalt Kuno Fischer. Die Behörde habe beim Amtsgericht eine Leichenschau beantragt. Der 31-Jährige soll obduziert werden, um seine genaue Todesursache zu ermitteln. Größere äußere Verletzungen, wie sie bei einem vorherigen Kampf hätten entstehen können, seien am Toten nicht entdeckt worden.

Auf Kiels längster Brücke, die als Ersatz für die alte Prinz-Heinrich-Brücke entstand, ist nicht zum ersten Mal ein Radfahrer tödlich verunglückt. Bereits vor vier Jahren war ein 42-Jähriger unter ähnlichen Umständen von der Brücke gestürzt. Die Kette des Mannes aus Kiel-Friedrichsort riss beim Anstieg, auch er schleuderte gegen die Brüstung, stürzte über das Geländer. 1,20 bis 1,30 Meter hoch sind die mit Plexiglasplatten verkleideten Geländer an den Radwegen beider Brücken, die je eine Fahrbahn aufnehmen und zusammen die 1996 fertiggestellte Hochbrücke bilden.

"Sie entsprechen damit der bundesweiten Norm", sagt Matthias Paraknewitz, Chef der Niederlassung Rendsburg des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr. Vorgeschrieben sei laut der "Zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen für Ingenieurbauten" eine Geländerhöhe von mindestens 120 Zentimetern.

Allerdings wurde das Geländer der Hochbrücke seit 1996 schon einmal erhöht, hieß es aus Polizeikreisen. Ob nach dem ersten schweren Unfall, konnte am Freitag nicht geklärt werden. Sicher ist wohl nur, dass eine weitere Erhöhung des Geländers nach dem jüngsten tödlichen Zwischenfall wieder diskutiert werden wird.