Schwarz-Gelb gibt Protesten nach und denkt schon an die Neuwahl. Paket kann an einer Stimme scheitern. Bund der Steuerzahler schlägt Alarm

Kiel. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Schleswig-Holstein bekommt im Sparkampf kalte Füße. Einige Maßnahmen sind bereits beerdigt, für andere läutet die Totenglocke. Mit Blick auf die Neuwahl gibt es zudem erste Vorschläge für neue und teure Projekte. Der Sinneswandel hat den Bund der Steuerzahler alarmiert. "Das Sparpaket darf nicht aufgeschnürt werden, und auch die vorgezogene Landtagswahl ist kein Grund, sich in die Büsche zu schlagen", sagte dessen Vizepräsident Roger H. Müller dem Abendblatt.

Auf dem Kieker hat der Steuerzahlerbund nicht zuletzt Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Der Regierungschef, der die Kürzungspläne eigentlich "stur" durchsetzen wollte, scherte bei der geplanten Schließung des Landeshafens Friedrichskoog aus. Anfang des Monats bot er den protestierenden Dithmarschern an, den Hafen für zwei Jahre offen zu halten und die Betriebsausgaben samt Hafenmeister zu übernehmen. Gesamtkosten: mehr als 300 000 Euro. Friedrichskoog, das den Hafen übernehmen soll, reicht das offenbar nicht. "Wir suchen nach einer gemeinsamen Lösung", hieß es im Wirtschaftsministerium.

Auf der Kippe steht auch eine andere und zentrale Sparmaßnahme, die Kürzung der Mittel für die Schulen der dänischen Minderheit. Nach einer Protestnote Kopenhagens in Berlin wurde eine Krisenrunde einberufen, in der Politiker aus Dänemark und Schleswig-Holstein nach einer Lösung suchen. Im Landeshaus wird davon ausgegangen, dass Schleswig-Holstein Abstriche machen muss, die Sparsumme von 4,7 Millionen Euro jährlich nicht vollends einfahren kann.

Zwei andere Sparkämpfe hat Carstensen schon verloren. Die geplante Schließung der Medizinstudiengänge an der Uni Lübeck wurde nach einem Aufstand in der Hansestadt abgeblasen, weil die Sparsumme von etwa 25 Millionen Euro im Jahr andernorts erbracht wird. Die teure Doppelstruktur mit zwei Medizin-Unis in Kiel und Lübeck bleibt also erhalten. Den Schwarzen Peter schoben Carstensen & Co auf die Bundesebene. Der Wissenschaftsrat soll in den nächsten Monaten prüfen, wie es mit der Hochschulmedizin im Norden weitergehen könnte.

Offiziell vertagt wurde die Sparaktion an der Uni Flensburg. Ihre Wirtschaftsstudiengänge sollen frühestens 2012 auslaufen, ein Jahr später als ursprünglich vorgesehen. Dass Carstensen in Flensburg wirklich ernst macht, gilt im Landeshaus als ausgeschlossen. Die schwarz-gelbe Koalition muss spätestens im Herbst 2012 in die Neuwahl ziehen und wird es vorher nicht riskieren, die Wähler im ohnehin strukturschwachen Norden des Landes mit einem Kahlschlag in Flensburg gegen sich aufzubringen.

Mit Blick auf die Wahl stehen auch hinter vielen anderen Sparvorschlägen inzwischen Fragezeichen. Die FDP-Fraktion möchte die vom eigenen Kabinett beschlossenen Kürzungen bei Frauenberatungsstellen, Bildungsstätten sowie Heimvolkshochschulen einsammeln und für andere Projekte mehr Landesgeld locker machen. Auf der gelben Wunschliste stehen zusätzliche Mittel unter anderem für die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften oder die Schulsozialarbeit.

"Wir investieren in die Zukunft", sagte die finanzpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Katharina Loedige, zu den Anti-Spar-Beschlüssen. Die Mehrausgaben will Loedige anderswo einsparen. "Wir sehen in zahlreichen Haushaltstiteln noch Potenzial." Wo die FDP wie viel Geld kürzen will, verrät sie nicht. Die CDU brütet derweil noch über ihrem politischen Wunschzettel.

Zur Disposition stehen bei der Union auch einige Sparmaßnahmen. Alle CDU-Abgeordneten sind Direktkandidaten, haben also einen Wahlkreis, in dem Kürzungen nicht gut ankommen. Zudem hat jeder Abgeordnete ein hohes Drohpotenzial. Die schwarz-gelbe Koalition regiert Schleswig-Holstein mit nur einer Stimme Mehrheit. Schert im Dezember bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2010/11 nur ein Abgeordneter aus, kann die Regierung Carstensen ihre Regierungskoffer noch vor Weihnachten packen.

Dem Bund der Steuerzahler bleibt angesichts dieser Lage nur ein Appell an die Abgeordneten: "Wer einen Stein aus dem Sparpaket zieht, bringt das ganze Gebäude zum Einsturz", sagt Roger H. Müller. "Also bitte nicht wackeln."