Der Heimbetreiber DAK spricht von “Doktorspielen“. Vier Tatverdächtige

Westerland. Der Klinikbetreiber spricht von "erweiterten Doktorspielen", die Mutter eines Betroffenen nennt es sexuellen Missbrauch. In einer Kurklinik für übergewichtige Kinder in Westerland auf Sylt ist es offenbar wiederholt zu zumindest fragwürdigen, möglicherweise strafbaren Handlungen gekommen. Die Beteiligten sind Jungen im Alter zwischen neun und 13 Jahren.

Im Juli waren die Jungen jeweils für sechs Wochen in das "Haus Quickborn" am Westerländer Strand gekommen, um dort abzuspecken und ein neues, verbessertes Körpergefühl zu bekommen. Das Haus wird von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) betrieben, ist auf derartige Kuren spezialisiert. Die jungen Gäste sind im "Haus Quickborn" in vier Wohngruppen von bis zu 16 Kindern eingeteilt. Sie schlafen in Vier-Bett-Zimmern.

In einer der Jungengruppen kam es im Verlauf der Kur offenbar zu Übergriffen. Zwei Jungen offenbarten sich am 6. August abends einem Betreuer, der seinerseits die Klinikleitung informierte. Die veranlasste, dass die mutmaßlichen Rädelsführer von der Gruppe getrennt und auf eine Krankenstation verlegt wurden. Später schickte die Klinikleitung die mutmaßlichen Rädelsführer nach Hause.

Die Mutter eines betroffenen Jungen erstattete jetzt Strafanzeige. Der "Bild" sagte sie, ihr Sohn sei zu Oralverkehr und Zungenküssen gezwungen worden. Rechtsanwalt Carsten Ernst vertritt die Interessen des Opfers. Er geht nach ersten Befragungen davon aus, dass es bis zu zwölf Kinder sind, die auf der Kur Missbrauchserfahrungen machen mussten. Tatverdächtig seien vier Jungen.

Nach Angaben des Klinikbetreibers DAK gab es keine sexuelle Gewalt. Keinesfalls könne von Serienvergewaltigungen unter den Kindern die Rede sein., sagt DAK-Sprecher Frank Meiners. Vielmehr habe es sich um "erweiterte Doktorspiele" gehandelt, an denen die Jungen in der Bettruhezeit auf freiwilliger Basis teilgenommen hätten. Meiners: "Jeder war Täter und Opfer zugleich. Sexuelle Gewalt hat es nach unserer Kenntnis nicht gegeben." Alle mutmaßlich beteiligten Kinder sind im strafunmündigen Alter.

Erweiterte Doktorspiele seien in der Gruppe häufiger vorgekommen, berichtete DAK-Sprecher Meiners. Er wolle die Vorfälle nicht bagatellisieren, doch "Doktorspiele" seien bei Kindern im entsprechenden Alter nichts Ungewöhnliches. Offenbar hätten die Jungen austesten wollen, "was man machen kann". Bis auf zwei Kinder der Gruppe seien alle an den Vorkommnissen beteiligt gewesen. Die Eltern, so berichtet Meiners, seien alle sofort über die Geschehnisse im Haus Quickborn informiert worden. Lediglich ein Elternpaar habe das Angebot, den Jungen sofort abzuholen, angenommen. Dieser Junge sei auch in einer Klinik auf Verletzungen untersucht worden - ohne Befund.

Die Flensburger Oberstaatsanwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt bestätigt den Eingang einer Strafanzeige. Sie sagt: "Wir werden die Ermittlungen vornehmen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob etwas passiert ist, was passiert ist und wie es strafrechtlich zu würdigen ist."

Die Geschehnisse in Westerland erinnern an den mutmaßlichen Missbrauchsfall während der Ferienfreizeit einer Osnabrücker Jugendgruppe auf Ameland (Niederlande). Hier soll es, wie berichtet, zu massiven Quälereien gekommen sein. Verdächtig sind zehn Kinder. Sie sollen acht jüngere Mitreisende im Schlafsaal gefesselt und zu sexuellen Handlungen gezwungen haben.