“Report Mainz“ erhebt schwere Vorwürfe gegen Niedersachsens Landwirtschafts-Ressortchefin. Die bestreitet alles

Hannover. Kaum drei Monate im Amt, gerät die neue niedersächsische Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU) massiv unter Beschuss. Das ARD-Fernsehmagazin "Report Mainz" hat Bilder ausgestrahlt von toten und sterbenden Puten in Mastanlagen in Mecklenburg-Vorpommern, eindeutig Tierquälerei. Vor allem aber behauptete das TV-Magazin, dass die Putenbrüterei Ahlhorn der Familie Grotelüschen an der entsprechenden Erzeugergemeinschaft beteiligt ist. Die Oppositionsparteien im Landtag nannten es gestern nahezu wortgleich unvorstellbar, dass die Ministerin von solchen Missständen nichts gewusst hat, obwohl sie doch bis vor wenigen Monaten als Geschäftsführerin im Betrieb der Familie gearbeitet hat. SPD, Grüne und Linkspartei sehen zudem ihre Warnungen bestätigt, Grotelüschen stehe für industrielle Tiermast und könne deshalb nicht Landwirtschaftsministerin bleiben, weil zu deren wichtigsten Aufgaben der Tierschutz gehöre.

Der Sprecher der Ministerin, Gert Hahne, bestreitet geschäftliche Verbindungen zwischen der Putenbrüterei Ahlhorn im Oldenburger Land und der Erzeugergemeinschaft in Mecklenburg-Vorpommern nicht, der Anteil betrage 30 Prozent. Aber er pocht darauf, diese Erzeugergemeinschaft sei lediglich für Vermarktungszwecke da, und Familie Grotelüschen liefere zwar die Küken, sei aber an keinem der 24 dortigen Mastbetriebe beteiligt: "Frau Grotelüschen hat nie einen Fuß in eine der hier genannten beiden Mastbetriebe gesetzt." Vor allem aber meldete Hahne gestern Zweifel an, ob die Bilder wirklich aus Ställen von Bauern kommen, mit denen die Familie Grotelüschen geschäftlich verbunden ist: "Ich habe Zweifel an der Authentizität der Aufnahmen." Nach seiner Darstellung hat die Ministerin, als ihr "Report Mainz" die Aufnahmen vergangene Woche vorgeführt hatte, sofort die zuständigen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern informiert. Eine Kontrolle der Ställe vor Ort habe keine Beanstandungen ergeben, die Bauern haben nach seiner Darstellung in eidesstattlichen Versicherungen festgestellt, die Aufnahmen stammten nicht aus ihren Ställen.

Bedient hat sich "Report Mainz" wie schon häufiger in der Vergangenheit bei den gezeigten Aufnahmen bei der internationalen Tierschutzorganisation PETA e.V., die immer wieder bei Nacht in Ställe eindringt und solche Bilder macht. Sprecher Hahne: "Alles deutet darauf hin, dass PETA sich mal wieder verschiedener Filmaufnahmen für seine Zwecke bedient." Seine Kritik an den Verantwortlichen des Fernsehmagazins: "Unsere Zweifel waren 'Report Mainz' bekannt, haben aber im Beitrag keinen Widerhall gefunden."

Die Tierschützer von PETA verwiesen gestern darauf, trotz der gezeigten Aufnahmen von Puten, die sich gegenseitig die Augen aushacken oder qualvoll sterben, handele es sich "nicht um Skandalbetriebe". So oder ähnlich sehe es vielmehr in jeder großen Putenmast in Deutschland aus: "Es ist systemimmanente Tierquälerei". Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel verwies ebenfalls darauf, dass tierquälerische Haltung der Regelfall sei in der Putenmast: "Ich glaube, dieser Fall wird dazu führen, dass man diese ganze Haltungsform noch mal sehr grundsätzlich infrage stellen muss."

Vor allem aber thematisierten die Oppositionsparteien die Tatsache, dass die Landwirtschaftsministerin aus einem für landwirtschaftliche Verhältnisse sehr großen Brutbetrieb kommt. Der SPD-Landesvorsitzende Olaf Lies: "Es liegt der Verdacht nahe, dass der Tierschutz im Geschäftsumfeld der Grotelüschens der Profitgier untergeordnet wird."

Die Landtagsfraktion der Grünen sieht "bei der Landwirtschaftsministerin das Trennungsgebot zwischen privatwirtschaftlichem und politischen Aufgaben nicht erfüllt". Die Linksfraktion im Landtag forderte gestern den sofortigen Rücktritt der Ministerin: "Sie ist ungeeignet, denn Landwirtschaft und Tierschutz in Niedersachsen sind mehr als Massentierhaltung." Ein Sprecher von PETA sagte in dem TV-Beitrag: "Astrid Grotelüschen und ihr Mann leben vom Elend der Tiere, die sind auf jeden Fall mitverantwortlich."

Die Ministerin hatte ihr Amt erst im April als Nachfolgerin für den gesundheitlich angeschlagenen Vorgänger Hans-Heinrich Ehlen angetreten. Die Mutter von drei Jungen war 2009 erstmals in den Bundestag eingezogen. Bis zu ihrer Berufung ins niedersächsische Landeskabinett war sie Geschäftsführerin im Betrieb des Ehemannes im Oldenburgischen, bis 2001 auch fünf Jahre Prokuristin der Erzeugergemeinschaft in Mecklenburg-Vorpommern, in deren Mastbetrieben laut Tierschutzorganisation PETA die Bilder entstanden sind. Die Diplom-Ökotrophologin ist auf dem Bauernhof ihrer Eltern im Kölner Umland groß geworden.