Wie Carstensen bei der Kanzlerin das Geld für Lübecks Medizinerausbildung loseiste

Kiel. Die schwarz-gelbe Koalition in Schleswig-Holstein hat die Rettung der Lübecker Uni im Landtag lautstark bejubelt. "Lassen Sie uns den Erfolg gemeinsam feiern", forderte der CDU-Abgeordnete Daniel Günther. Die Opposition war nicht in Partylaune. Sie dankte ausdrücklich dem Bund dafür, dass er mehr Geld bereitstellt und so die "dreisten" Kieler Regierungspläne zur Abwicklung der Medizinerausbildung in Lübeck stoppte.

In der munteren Debatte ließ Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU) durchblicken, dass die Uni nicht ganz ungeschoren davonkommt. Die Medizinerausbildung bleibe "in der vereinbarten Form" erhalten, sagte er in einem Nebensatz. Gemeint ist die Zielvereinbarung mit der Hochschule aus dem Vorjahr. Demnach muss die Uni Lübeck die Zahl ihrer Studienanfänger um 20 auf 170 reduzieren. Derselbe Abbau wurde mit der Uni Kiel vereinbart.

Der Minister machte zudem deutlich, dass die Rettungsaktion des Bundes für die Medizin-Uni erhebliche Nebenwirkungen haben kann. Denn Kern der Bundeshilfe von 25 Millionen Euro jährlich ist der Wechsel des Kieler Instituts für Meeresforschung (Geomar) aus der Leibniz-Familie in die Helmholtz-Gemeinschaft, die zu 90 Prozent vom Bund finanziert wird. Unter dem Helmholtz-Dach arbeiten aber bereits zwei Konkurrenten des Kieler Geomar, das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und das GKSS in Geesthacht mit seinen Küstenforschern.

De Jager ging auf die Konkurrenzsituation nicht näher ein, sprach sich aber für ein "nationales Zentrum" für Meeresforschung aus. Als Sitz des Super-Instituts hätte Kiel beste Karten, hieß es später aus dem Regierungslager. Die Begründung ist: Im Zuge des Hilfspaktes werde der Bund gut 80 Millionen Euro in ein neues Geomar-Gebäude in Kiel investieren. Damit liege die Landeshauptstadt im Wettbewerb mit Bremerhaven vorn. Kritik kam von der Leibniz-Gemeinschaft. Sie will Geomar nicht verlieren, wird aber wohl beidrehen müssen, weil Berlin die Aktion abgenickt hat und die Leibniz-Familie vor allem von Bundesmitteln lebt.

Wie Kiel der Griff in die Bundeskasse gelang, deutete de Jager im Landtag nur an. "Die Diskussion hat im Dezember im Kanzleramt begonnen." Dem Vernehmen nach schnürten damals Kanzlerin Angela Merkel, Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (beide CDU), Vize-Kanzler Guido Westerwelle und Kiels Fraktionschef Wolfgang Kubicki (beide FDP) ein Paket: Schleswig-Holstein verhilft dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu einer Mehrheit im Bundesrat und erhält im Gegenzug Finanzhilfen unter anderem im Wissenschaftsbereich.

Seitdem verhandelte Carstensen mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU), zuletzt mehrfach täglich. Die Ministerin sperrte sich, rückte die Millionen angeblich erst nach einer Beschwerde Kiels im Kanzleramt heraus. "Das Geld aus Berlin rettet Ihnen den Hintern in die Sommerpause", frotzelte Grünen-Fraktionschef Robert Habeck die Regierung. Er gratulierte ihr zugleich als einziger Oppositionspolitiker zu ihrem Erfolg. Anders die SPD: "Ich freue mich, dass die Pläne vom Tisch sind", meinte Jürgen Weber (SPD). Fraktionschef Ralf Stegner legte nach. Es sei gut, dass der von CDU und FDP in Lübeck geschürte Brand gelöscht sei. Das sei allerdings der Verdienst der Berufsfeuerwehr des Bundes.

Für Carstensen, der in Berlin im Bundesrat saß, konterte CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher. Er erinnerte Stegner daran, dass die SPD für die leere Landeskasse und damit den Sparkurs mitverantwortlich sei. "Der Brand, den Sie gelegt haben, Herr Stegner, ist noch nicht gelöscht."