Atomaufsicht will Akten über Schutz von Krümmel und Brunsbüttel nicht ans Gericht herausgeben

Schleswig. Die Zukunft der Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel liegt nicht nur in den Händen der Politik. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig wird vermutlich 2011 entscheiden, ob die beiden Meiler wegen mangelnden Terrorschutzes stillgelegt werden. Schon vor den Prozessen schlagen die Wellen hoch, weil die Kieler Atomaufsicht Geheimakten zu Anschlagsrisiken in Krümmel nicht herausgibt.

"Die Behörde mauert mit teils haarsträubenden Argumenten", sagte Klägeranwalt Ulrich Wollenteit. Viele Unterlagen seien als "VS-NfD" (Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch) gestempelt. Das gilt etwa für ein Gutachten des TÜV Nord über den Schutzzustand Krümmels oder das Konzept des Betreibers Vattenfall zum Schutz des Meilers gegen einen Angriff mit Verkehrsflugzeugen.

"Wir können bestimmte Unterlagen nicht vorlegen", sagte der Leiter der Landes-Atomaufsicht, Wolfgang Cloosters. Seine Sorge: Das heikle Material könnte aufgrund der öffentlichen Verhandlung vor dem OVG publik werden und möglichen Terroristen wichtige Hinweise liefern. Anwalt Wollenteit kann solche Befürchtungen im Einzelfall nachvollziehen. "Es gibt sicher gute Gründe, nicht bekannt zu machen, ob und wie man einen Reaktor mit einfachen Mitteln knacken kann." Als geheim seien aber auch Unterlagen eingestuft, deren Inhalt längst durchgesickert sei.

Wollenteit kündigte an, gegen die Geheimniskrämerei vorzugehen und beim OVG ein "In Camera"-Verfahren in Gang zu setzen. In diesem Verfahren muss die Atomaufsicht einer Geheimkammer des OVG sämtliche Unterlagen zur Verfügung stellen. Der Senat entscheidet dann hinter verschlossener Tür, welches Material in den öffentlichen Prozess eingeführt werden darf. Für Wollenteit ist das kein Neuland. Der Hamburger Anwalt vertritt auch die Klage gegen Brunsbüttel, setzt dort schon auf das "In Camera"-Verfahren.

So oder so dürften die Prozesse vor dem OVG spannend werden. Brunsbüttel (Baujahr 1976) ist einer der ältesten Meiler in Deutschland, hält allenfalls dem Absturz eines kleinen Privatfliegers stand. Krümmel, seit 1983 in Betrieb, soll immerhin schon einer Militärmaschine trotzen können. Für einen Jumbo-Jet sind beide nicht ausgelegt. Hier wie dort gibt es nicht einmal eine Vernebelungsanlage.

Wollenteit geht davon aus, dass Lücken im Terrorschutz zum Widerruf der Betriebsgenehmigung führen müssen. Die Bundespolitik hat auch nach dem Anschlag vom 11. September 2001 ein anderes Signal gesandt. Im Atom-Ausstiegsgesetz von 2002 wurden trotz Terrordebatte auch den älteren und am schlechtesten geschützten Atomkraftwerken Restlaufzeiten zugebilligt.