Helgoland. Die Helgoländer müssen mit einem gefährlichen Granatenfriedhof vor ihrem Felsen leben. Die Landesregierung gab gestern bekannt, dass sie 6000 in der Nordsee versenkte Granaten mit dem hochgiftigen Nervenkampfstoff Tabun nicht bergen will. Die 15-Kilo-Geschosse waren 1949 vier Kilometer südlich Helgolands verklappt worden.

Innen-Staatssekretär Volker Dornquast (CDU) erklärte, dass eine Bergung zu riskant sei. "Die Gefahr, dass die Granaten während des Hebens aufplatzen, ist zu groß." Die Entscheidung sei der Regierung aber nicht leichtgefallen, so Dornquast. "Es fühlt sich niemand richtig wohl." Helgolands Bürgermeister Frank Botter geht es ähnlich. Die Sache mit dem Nervengas löse ein "Kribbeln" aus - "bei mir auch".

Dornquast stellte klar, dass "keine konkrete" Gefahr bestehe. Experten gehen davon aus, dass aus den meisten Granaten das Tabun schon ausgewaschen sei. Beweise dafür gibt es aber nicht. Die 15-Kilo-Geschosse (Durchmesser 10,5 Zentimeter) liegen in einer Tiefe von 45 bis 55 Meter und wurden bisher nur mit Sonar geortet. Bei der nächsten Kontrollfahrt sollen erste Videobilder gemacht werden.

Klar ist, dass Tabun sich im Wasser auflöst und die Abbauprodukte sich nicht in der Nahrungskette anreichern. Den Ausschlag dafür, die Granaten nicht anzurühren, gab ihre Lage. Die Geschosse liegen in einem großen Areal über den Meeresboden verstreut, also nicht auf einem Haufen. Nur in diesem Fall hätte die Gefahr bestanden, dass es zu einer Kettenexplosion kommt, die eine Giftgaswolke freisetzt.

Rückendeckung bekam die Regierung vom Koblenzer Meeresbiologen Stefan Nehring. Er hatte die Verklappungsaktion aufgedeckt. Über dem Granatenfriedhof soll es ein Fischereiverbot geben.