Stimmennachzählung kostet die FDP ein Mandat. Die Kielerin Christina Musculus-Stahnke räumte ihren Platz - nicht ohne Wehmut.

Kiel. Schleswig-Holsteins Kurzzeit-Abgeordnete Christina Musculus-Stahnke schwankt zwischen Freude und Frust. Am gestrigen Morgen genoss die FDP-Politikerin mit anderen Parlamentsneulingen das gemeinsame Frühstück mit Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Am Abend räumte die 47-jährige Juristin notgedrungen und mit etwas feuchten Augen ihren Platz im Landtag - nach nur 94 Tagen.

"Es ist natürlich bitter, dass ich nach so kurzer Zeit gehen muss", sagt die Kielerin. Über den Zählfehler im Wahlbezirk Husum 3, der zu ihrem Mandatsverlust führt, schüttelt sie den Kopf. "Ich war selbst ehrenamtliche Wahlhelferin und kann mir nicht erklären, wie so etwas passieren kann." Musculus-Stahnke grübelt einen Moment, rettet sich dann in Galgenhumor. Immerhin stehe nun fest, dass es bei Wahlen wirklich auf jede Stimme ankomme.

Lieber als über das Ende ihrer kurzen Karriere spricht die Politikerin über deren Beginn. Als die Anwältin (Platz 15 auf der Landesliste) am Wahlabend zu Bett geht, liegt die FDP bei sensationellen elf Mandaten und sie gleichwohl meilenweit von einem Sitz im Landtag entfernt. Am nächsten Morgen klingelt das Telefon: "Du bist drin." Über Nacht war der Landtag aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten gewachsen und mit ihm die FDP auf 15 Sitze.

"Ich bin sozusagen im Schlaf Abgeordnete geworden", schmunzelt Musculus-Stahnke. Die ersten Zweifel kommen aber schon wenige Tage später. Die Linkspartei misstraut dem Husumer Ergebnis. "Ich habe gedacht, die in Husum können doch zählen", erinnert sich die Juristin. Am 27. Oktober scheint alles klar. Musculus-Stahnke nimmt im Plenarsaal Platz, leistet den Abgeordneteneid.

Die Liberale stürzt sich in die Arbeit, wird kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, sitzt im Bildungs- und im Petitionsausschuss. "Politik ist eine Aneinanderreihung von Sitzungen", bilanziert sie lachend. Im November hält sie ihre Jungfernrede im Landtag. "Ich habe über die Mitbestimmung von Studierenden gesprochen." Mitte Dezember folgt der Schock. Die Landeswahlleiterin schlägt eine Nachzählung in Husum vor. Musculus-Stahnke hofft weiter, bis zum Zähltag vor einer Woche. "Dann war leider alles klar."

Seitdem muss die Juristin immer wieder Hände drücken. Viele Abgeordnete verabschieden sie persönlich, die FDP-Fraktion gestern Abend mit einem kleinen Empfang. Ins Bodenlose fällt die kurzzeitige Berufspolitikerin (im Monat rund 7000 Euro brutto) nicht. Die Rechtsanwältin arbeitet in einer Bürogemeinschaft in Kiel, will schon heute dort arbeiten. Auch politisch geht es weiter - ehrenamtlich. Die Liberale, die mit Mann und Sohn in Kiel lebt, sitzt in der Ratsversammlung, kämpft dort aber oft auf verlorenem Posten. Kiel wird von SPD, Grünen und SSW regiert.

Eine mögliche Klage gegen das neue Wahlergebnis schließt Musculus-Stahnke aus. Die Nachzählung sei eindeutig. Klar ist auch, dass es für die FDP-Frau eine kleine Chance zur Rückkehr in den Landtag gibt. Wird das neue Ergebnis rechtskräftig, ist sie erste Nachrückerin auf der FDP-Liste.