Die Volkswagen-Stiftung will es für 20 Millionen Euro wieder aufbauen. Bedingung: Die Fassade soll originalgetreu aussehen.

Hannover. Es ist eine Gratwanderung unter Zeitdruck: Vor nicht einmal 14 Tagen hat die Volkswagen-Stiftung den Startschuss für den Architektenwettbewerb zum Wiederaufbau des Schlosses Herrenhausen in Hannover gegeben, bereits Ende März soll eine Jury den Sieger küren. Die Gretchenfrage: Wie weit wird die frühere Sommerresidenz des klassizistischen Laves-Schlosses rekonstruiert, wie weit trauen sich die 15 Architekturbüros, neue bauliche Akzente zu setzen?

Das im Zweiten Weltkrieg im Bombenhagel völlig zerstörte Schloss war Wirtschaftshof, Sommerresidenz, Soldatenunterkunft. Vor allem aber war das Schloss der Mittelpunkt der Herrenhäuser Gärten, der prächtigsten barocken Parkanlage weltweit. 20 Millionen Euro lässt sich die VW-Stiftung den Wiederaufbau kosten, dort soll ein modernes wissenschaftliches Tagungszentrum entstehen, inklusive unterirdischen Hörsaals und Museums in den Seitentrakten.

Der Landesverband Niedersachsen des Bundes Deutscher Architekten hatte sich im Dauerstreit der Fachleute um Rekonstruktion oder moderne Architektur vehement für eine "Offenhaltung der Gestaltung der Gebäudehülle" ausgesprochen und dabei ausdrücklich auch auf die Elbphilharmonie in Hamburg als Beispiel dafür verwiesen, dass dieses Gebäude bereits im Bau als "neues Wahrzeichen" der Metropole gelte. Die Ausschreibung für das Herrenhausener Schloss aber schreibt einen schwierigen Kompromiss vor. So erhalten die Architekten etwa im Eingangsbereich entsprechend der Nutzung als Tagungszentrum freie Hand, auch Abweichungen von der historischen Bausubstanz zuzulassen. Auf der anderen Seite müssen die Entwurfsplanungen "im Einklang mit dem Erscheinungsbild des historischen Schlosses stehen". Dies gilt ausdrücklich auch für "Materialwahl und Farbgebung". "Harte Kontraste zwischen Rekonstruktion und modernen Elementen werden von der VW-Stiftung ausdrücklich nicht gewünscht."

Zu den 15 Architekturbüros, die zur Teilnahme am Wettbewerb aufgefordert worden sind, gehören mit Schweger Associates Architects, Störmer Murphy and Partners GbR sowie JK Jastremski Kotulla gleich drei Büros aus Hamburg. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VW-Stiftung, hofft jetzt auf "kreative Lösungen, bei denen bauhistorische Rekonstruktion und moderne Nutzung sich zu einem harmonischen Ganzen fügen". Experten in Hannover nennen diese Ausschreibung eine "Mischung aus gordischem Knoten und Quadratur des Kreises".

Die königlichen Gärten in Hannover wurden 1666 von den welfischen Herrschern begonnen. Kurfürstin Sophie sorgte bis zu ihrem Tod 1714 für die entscheidenden Akzente. Die große Fontäne mit 80 Meter Höhe ist bis heute der spektakuläre Höhepunkt des Gartens mit seinen einmaligen streng geometrischen Strukturen. Ab 1638 gab es im Zentrum des Gartens ein Gebäude als Sommerfrische der Welfen, 1819 entstand der Schlossbau durch Georg Ludwig Laves im Stil des Klassizismus: Genau dieses Gebäude ist - 1943 durch Bomben zerstört - heute Basis aller Überlegungen, ob und wie weit das neue Schloss rekonstruiert werden oder durch ein modernes Gebäude ersetzt werden soll.