Hamburg. Man muss ganz genau hingucken, um ans Ziel zu gelangen. Das beginnt bereits bei der Anfahrt mit dem Pkw: Wer die Elbbrücken passiert, ist auf sich allein gestellt. Hinweisschilder zur BallinStadt? Fehlanzeige. Erst der Blick in den Stadtplan weist den Weg: Autobahnausfahrt Georgswerder. Dort geht die Irrfahrt weiter.

Sie endet in einer gesichtslosen Asphaltkehre, dem Veddeler Bogen - im Nirwana zwischen donnernden Lastkraftwagen, Fabrikgebäuden, Bahndämmen und betonierten Kaimauern. Menschen leben hier nicht. Hamburg, so die erste Erfahrung, macht wenig Staat mit einem seiner touristischen Anziehungspunkte. Um es hanseatisch höflich auszudrücken ...

Wer das Auswanderermuseum dann doch gefunden hat, mit Glück, Navi oder Plan, macht Augen: Die drei Rotklinker-Baracken am Müggenburger Zollhafen, praktisch original wiederhergestellt, beeindrucken mit Stil. Gerade wegen der schlichten Architektur. Hier steht, was früher tatsächlich war.

Die Rasenflächen davor, ein bisschen hochtrabend Ballin-Park genannt, mögen im Sommer einladend sein - jetzt wirken sie unwirtlich. Auf der anderen Seite des Autobahnzubringers ist die S-Bahn-Station Veddel zu sehen. Auch von dort gebe es eine miserable Ausschilderung, klagen andere Besucher später.

Doch nun hinein in die Ballinstadt, zuerst direkt ins Arbeitszimmer des Patrons. Albert Ballin, technisch grandios inszeniert, berichtet von seinem Leben, dem Boom der Hapag, den Schiffspassagen in die damals Neue Welt, dem Alltag in den Hallen am Hafen. Schauspieler Wolfgang Völz macht das erstklassig. Ballins Schreibtisch ist zu sehen, eine Büste Kaiser Wilhelms II. Wer mehr wissen will, benutzt interaktive Hörspiele, zum Teil mit antiken Telefonapparaten passend umgesetzt.

Den Ausstellungsstrategen glückt es, den Zeitsprung in eine vergangene Epoche Hamburgs fesselnd zu gestalten. Dazu tragen Puppen mit hölzernen Gesichtern und authentischer Kleidung, Ton- und Filmdokumente, originale Schriftstücke und kleine Beutestücke - wer weiß woher - bei. Alles ist liebevoll arrangiert. Man muss sich Zeit nehmen, um die Vielfalt zu entdecken. Fahrkarten, Anmeldescheine, Passagierlisten, Speisepläne, Biografien und viele Briefe zählen dazu.

Ein nachgebauter Schlafsaal von 1922 erinnert an die kargen Verhältnisse von damals, "Traumkugeln" an Wünsche und Hoffnungen der fünf Millionen Menschen, die von der Veddel aus in ein neues Dasein starteten. Einzelne Lebensgeschichten machen Hunger, Vertreibung und Verzweiflung, noch mehr jedoch Wagemut und Zuversicht der Auswanderer deutlich.

Viele fanden das große Glück, zumindest materiell. Aber gerade die unbekannten Schicksale faszinieren besonders. Zum Beispiel die bewegenden Jahrzehnte des Karl August "Charles" Moheit aus Tempel. 1852 verließ er sein Heimatland im Alter von 23 Jahren - angelockt vom Goldrausch am Sacramento River in Übersee. Tatsächlich fand er Nuggets, wurde steinreich, verlor bei einem Brand alles, begann erneut, gewann wieder. Wahrscheinlich wurde er von Indianern getötet, auch wenn sein Skalp nie gefunden wurde.

Solche Existenzen ziehen nicht nur Erwachsene in den Bann. Gerade weil sie authentisch sind. Aber es geht auch virtuell. Am Eingang können Kinder ein Foto von sich machen lassen und an diversen Computerstationen ihre eigene Auswanderung höchst anschaulich erleben. Alt wie Jung verlassen schließlich die Etappen der Ausbürgerungsprozedur ganz real, passieren mit einem stark in Szene gesetzten "Schiff der Träume" das Wasser - und landen in New York.

Wer will, kann Stunden verbringen. Im Restaurant warten schließlich Eintopf, Kuchen, Kaffee und Kakao.