Sein Freund löscht die Flammen und trägt Verletzten über die Gleise. Opfer schwebt in Lebensgefahr.

Bremen. Ein 16-Jähriger hat beim Klettern auf einem Güterwaggon in Bremen einen Stromschlag erlitten und ist dabei lebensgefährlich verletzt worden. Er war in der Nacht zu Sonnabend mit einem Freund (17) auf das Bahngelände an der Strecke Bremen-Hannover gegangen. Was die beiden dort vorhatten, ist derzeit noch unklar. Sicher ist nur, dass der 16-Jährige an der Leiter, die an dem abgestellten Güterzug befestigt war, auf den Waggon kletterte. Dabei kam er der 15 000 Volt führenden Oberleitung zu nah. Ein Lichtblitz sprang auf ihn über. Mit brennender Kleidung fiel der Jugendliche ins Gleisbett und zog sich weitere Verletzungen zu.

Sein Freund erstickte daraufhin die Flammen mit seiner Jacke. Anschließend trug er ihn rund 200 Meter über die Gleise und einen Bahndamm zur Straße. "Auch das war lebensgefährlich", sagte Holger Jureczko, Sprecher der zuständigen Bundespolizeiinspektion Bremen. "Auf diesem Streckenabschnitt sind die Züge mit 160 Kilometern in der Stunde unterwegs. Da bleibt einem kaum Zeit zu reagieren, wenn sich ein Zug nähert."

An der Straße angekommen, rief der Freund seinen Vater über sein Handy an. Erst als dieser dort eintraf, rief er Feuerwehr und Polizei um Hilfe - eine halbe Stunde nach dem Unglück. Offenbar war der 17-Jährige derart geschockt, dass er vergaß, zuerst die Retter zu informieren. Bislang konnte er von den Beamten nicht vernommen werden.

Nachdem ein Notarzt den 16-Jährigen versorgt hatte, wurde der Verletzte mit einem Hubschrauber ins Unfallkrankenhaus Boberg in Hamburg geflogen. Auch einen Tag nach dem Unglück schwebte der Jugendliche noch in Lebensgefahr. Ob er den Stromschlag sowie die Verbrennungen überleben wird, ist noch ungewiss. Am Unfallort fanden die Beamten eine leere Schnapsflasche. Dafür, dass die beiden Jugendlichen Alkohol getrunken haben, gibt es allerdings keine Beweise. Ein juristisches Nachspiel wird das Unglück aufgrund seiner Schwere wahrscheinlich nicht haben.

"Dieser tragische Unfall zeigt erneut, dass der Strom auch ohne direkten Kontakt mit der Oberleitung überspringen kann. Ein Sicherheitsabstand von eineinhalb Metern ist absolut erforderlich", sagt Bundespolizeisprecher Jureczko. Wie nah der 16-Jährige der Leitung kam, ist nicht bekannt. Die Distanz, die für einen derartigen Effekt notwendig ist, hängt laut Bundespolizei auch von der Luftfeuchtigkeit ab. "Es herrscht auch der Irrglaube, dass nur dann Strom fließ, wenn die Züge fahren", betont Jureczko. "Ich warne dringend vor dem Betreten der Bahnanlagen."

Bereits im März dieses Jahres war es zu einem ähnlichen Unfall am Bahnhof Kirchweyhe (Kreis Diepholz) gekommen. Ein ebenfalls 16-Jähriger war dort auf das Dach eines Waggons gestiegen. Auch er erlitt einen Stromschlag und Verbrennungen. Er starb vor den Augen seiner vier entsetzten Freunde. Auch sie erlitten Schocks, mussten behandelt werden. Für die Rettungsarbeiten wurde die Strecke Osnabrück-Bremen seinerzeit für zwei Stunden gesperrt. Sieben Züge hatten sich verspätet.