Etwa 200 aufgebrachte Menschen haben in Gadebusch (Nordwestmecklenburg) drei Stunden lang das Wohnhaus eines mutmaßlichen Sexualstraftäters belagert. Sie forderten lautstark, dass der Mann aus dem Ort wegzieht.

Gadebusch. Gegen den 22-Jährigen laufen Ermittlungen, weil er am Wochenende drei Mädchen im Alter von acht bis zehn Jahren pornografische Filme gezeigt haben soll. Eines der Mädchen hatte sich seinen Eltern anvertraut, die daraufhin die Polizei alarmierten.

Ein Haftbefehl wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. So dürfe der Mann keinen Kontakt zu den Kindern haben und müsse sich regelmäßig bei der Polizei melden. "Das Gericht hat sich bei seiner Entscheidung vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit leiten lassen. Der Mann war zuvor nicht einschlägig aufgefallen. Die Auflagen sind klar", erklärte der Schweriner Oberstaatsanwalt Ralph-Siegfried Ketelboeter.

Ein Zusammenhang mit einem weiteren Missbrauchsverdacht in Gadebusch werde von der Polizei bislang ausgeschlossen. Ende August hatte ein etwa 40 Jahre alter Mann zwei spielende Mädchen angesprochen. Mit einem der Kinder war er laut Polizei in einen Hauskeller gegangen, wo er die Sechsjährige sexuell belästigt und leicht verletzt haben soll. In der Kleinstadt war das Vorgehen der Behörden auf Unverständnis gestoßen. Auch der Gadebuscher Bürgermeister Ulrich Howest kritisierte die Freilassung des Tatverdächtigen: "Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wie eine derartige Entscheidung zustande kommt", sagte er.

"Zu der Protestaktion wurde per SMS über Handys aufgerufen", berichtete Polizeisprecher Klaus Wiechmann. Einige Demonstranten hätten in das Haus eindringen wollen. Etwa 40 Beamte seien im Einsatz gewesen, um eine Eskalation zu verhindern. Der Beschuldigte habe sich am Abend nicht in seiner Wohnung in dem Mehrfamilienhaus aufgehalten.

Der Landesverband der Deutschen Kinderhilfe Mecklenburg-Vorpommerns äußerte Verständnis für die Sorge vieler Bürger, warnte aber vor Selbstjustiz. "Gut ist, dass sich so viele Menschen Gedanken zum Thema ,Sexueller Missbrauch von Kindern' machen und sich mit den Opfern solidarisieren, ihnen zeigen, dass ihnen ihre körperliche und seelische Unversehrtheit etwas bedeutet", erklärte Verbandssprecher Rainer Becker. Bedenklich sei aber, dass 40 Polizeibeamte vor Ort sein mussten, um einer Eskalation vorzubeugen. "Jeder Beschuldigte hat einen Rechtsanspruch auf ein faires Verfahren, auch wenn es um Sexualdelikte gegen Kinder geht."

Gegen mutmaßliche oder verurteilte Sexualstraftäter hat es schon häufiger Proteste von Bürgern gegeben. Anfang des Jahres demonstrierten Bürger im nordrhein-westfälischen Heinsberg tagelang gegen einen aus der Haft entlassenen Vergewaltiger. Damals hatte der CDU-Landrat die Einwohner vor dem Mann gewarnt. 2008 war ein Serienvergewaltiger nach 22 Jahren verbüßter Haft zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hin und her geschoben worden, weil ihn keiner haben wollte. "Warum hetzt man mich wie ein Tier? Ich will Ruhe und Hilfe, ich bin kein Abfall", hatte der Mann damals in einer persönlichen Erklärung geschrieben.