Wolfgang S. ist 71 Jahre alt, als er am Heiligen Abend 2001 in der Paracelsus-Klinik in Langenhagen stirbt. Er ist zugleich der erste von - laut Staatsanwaltschaft - 13 Opfern der Krebsärztin Mechthild B. (59).

Hannover. Bereits gestern, am zweiten Prozesstag, hat das Schwurgericht Hannover mit dem mühevollen Versuch begonnen, aus zahllosen Krankenakten und Zeugenaussagen die Umstände des Todes so vieler Menschen herauszuarbeiten. Alle starben im Zeitraum zwischen Ende 2001 und Mitte 2003 in der Paracelsus-Klinik, wo Bach als Belegärztin arbeitete. Ihr wird Totschlag vorgeworfen - sie soll die Patienten mit zu hohen Dosen Schmerzmitteln umgebracht haben.

Die Angeklagte hat sich am Vortag im Gericht für den Fall Nummer eins festgelegt: Als sie den besonders aggressiven Tumor in der Speiseröhre festgestellt habe, war "eine Heilung bereits ausgeschlossen, der Patient starb an seiner schweren fortgeschrittenen Tumorerkrankung".

Es geht nach dem Platzen des ersten Prozesses wegen der Erkrankung eines Richters auch jetzt erneut um gleich zwei schwierige Grenzziehungen. Wo endet legales Handeln? Und: Hat sich die Ärztin vor der Verabreichung von Morphium mit den Patienten unterhalten und über deren Wünsche informiert?

Die einzige Nebenklägerin im Prozess bezweifelt das für ihre verstorbene Mutter - aber im Fall des ersten Patienten sind gestern die Zeugen der Angeklagten beigesprungen. Ein Freund des Verstorbenen berichtete, dessen Frau habe die Ärztin gedrängt, stärkste Schmerzmittel zu verordnen: "Seine Ehefrau wollte, dass er nicht leidet." Und eine weitere Freundin des Ehepaares sagte aus, der Ehefrau sei klar gewesen, "dass es mit ihrem Mann zu Ende ging".

Und noch ein Problem wurde bereits gestern deutlich: Eine Krankenschwester als Zeugin konnte oder wollte sich nicht mehr an die genauen Dosierungen erinnern, mit denen Morphium und Valium damals eingesetzt wurden. Die Schwester wirkte verunsichert. Und noch viele Ärzte und Pflegekräfte werden aussagen müssen. Denn die Dokumentationen der Behandlungen durch die Krebsärztin sind völlig unzureichend. Das erschwert wiederum die Arbeit der ohnehin zerstrittenen Hauptgutachter. Immerhin: Im neuen Prozess gibt die Angeklagte, die im ersten Verfahren geschwiegen hat, jetzt sogar konkrete Einzelauskünfte, erläutert Abkürzungen auf Krankenblättern, erklärt, wer alles beteiligt war an der Erstellung dieser Akten.

Sie beteuert: "Der Todeseintritt wurde durch keine meiner veranlassten Maßnahmen verursacht oder beschleunigt." Und sie räumt ein: "Meine nicht ausreichende medizinische Dokumentation ist zweifellos der schwerwiegende Fehler, der mich hierhergebracht hat."

Mechthild B. hat im Schwurgericht nicht nur zwei Verteidiger an ihrer Seite, sondern auch mehrere Anhänger auf den Zuschauerbänken. Ein älterer Mann sagte: "Das ist die beste Ärztin, die ich kennengelernt habe." Die Angeklagte selbst fühlt sich durch die Freunde im Saal gestärkt: "Sie geben mir Kraft und Zuversicht."