CDU-Fraktionschef von Boetticher provoziert die FDP: „Können uns auch andere Mehrheit suchen.“ Heute weitere Gespräche.

Kiel. Die schwarz-gelbe Wunschkoalition in Schleswig-Holstein hat ihre erste Krise. Nach einem heftigen Streit um Schule und Ministerposten brach die FDP gestern in Kiel die Koalitionsgespräche mit der CDU vorerst ab. Heute wollen beide Parteien einen neuen Anlauf unternehmen, um bis zum Wochenende eine gemeinsame Regierung auf die Beine zu stellen.

In Koalitionsgesprächen könne es immer mal stocken, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Sein Versuch, den Schaden zu begrenzen, wurde allerdings durchkreuzt. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki warf der CDU öffentlich vor, "Machtspielchen" zu betreiben und die Verhandlungsatmosphäre zu vergiften. Gemeint war damit insbesondere CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher.

Carstensens Kronprinz hatte in der kleinen Spitzenrunde von CDU und FDP die Messer gewetzt. Bei Kaffee und Kuchen versuchte von Boetticher zunächst, den von der Untergruppe Bildung ausgehandelten Schulkompromiss aufzuschnüren. Hintergrund: In der Bildungsgruppe hatte vor allem die FDP gepunktet, so unter anderem durchgesetzt, dass die Gymnasien bei Bedarf das Turbo-Abi abschaffen dürfen.

Von Boetticher kämpfte gestern nochmals für das Turbo-Abi, das auf Druck der CDU 2008 an allen Gymnasien eingeführt worden war. Die FDP hielt dagegen. Streit gab es auch ums Geld. Die Liberalen möchten für die Gymnasien, die ganz oder teils am Turbo-Abi festhalten, mehr Lehrerstellen. Hier schüttelte Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) den Kopf.

Die schon gereizte Stimmung in der Runde kippte vollends, als es um die Verteilung der Ministerien ging. Kubicki verlangte drei Ressorts. "Wir geben euch zwei", soll von Boetticher von oben herab geantwortet haben. Die CDU habe der FDP nichts zu "geben", empörten sich die Liberalen, die eine Koalition auf Augenhöhe wünschen.

Zum Eklat kam es in der Spitzenrunde, als von Boetticher nachlegte. Hinter verschlossenen Türen soll er der FDP damit gedroht haben, dass die CDU sich auch "eine andere Mehrheit" suchen könne. Für Kubicki und FDP-Landeschef Jürgen Koppelin war das Maß voll. Nach 75 Minuten verließen sie die Runde. Die große schwarz-gelbe Verhandlungskommission, die bereits im Yacht Club wartete, wurde abgeblasen.

"Stil, Klima und Umgangston waren so, als ob die CDU uns als Gegner und nicht als Partner sieht", sagte FDP-Fraktionsvize Heiner Garg später. "Die Union muss verstehen, dass die FDP kein Mehrheitsbeschaffer ist." Bei der CDU wurden die Wunden geleckt. Dabei gab es auch Kritik am Fraktionschef, weil von Boetticher die FDP leichtfertig auf die Palme trieb und so das Bild der schwarz-gelben Kuschelkoalition zerstörte.

Klar ist, dass von Boetticher für die FDP seit Langem eine Reizfigur ist. Anfang des Jahres hatte er auf einer internen CDU-Klausurtagung den Gastredner Kubicki heruntergeputzt, weil der Liberale vorher der Union kräftig die Leviten gelesen hatte. Im Landeshaus wird deshalb erwartet, dass sich die beiden Juristen heute bei der Fortsetzung des Koalitionspokers allenfalls halbherzig die Hände reichen und auch künftig für einen Krach in Kiel gut sind.

Umstritten ist weiterhin die Innenpolitik. Die FDP will die Befugnisse des Staates begrenzen, die CDU will sie ausbauen. In der Finanzpolitik haben sich beide Parteien offenbar auf eine Mogelpackung verständigt. Demnach will die Regierung bis 2020 zwar stolze 5600 Stellen (jede zehnte im Landesdienst) abbauen, aber offenlassen, wo diese Jobs wegfallen.

Dieser Sparplan soll das alte Konzept der Großen Koalition ersetzen. Sie wollte bis 2020 zwar nur 4800 Stellen streichen, wurde aber konkret: Bis 2015 sollten mehr als 1000 Lehrer eingespart werden. Zu derartigen Einschnitten sind CDU und FDP offenbar nicht bereit.