Wenn ich - in knapp anderthalb Stunden - um die Außenalster herumgehe, sehe ich sie oft da sitzen: die Angler. Sie haben den Spaziergängern den Rücken zugewandt, ihre Utensilien neben sich am Uferhang, die Angelruten liegen auf kleinen Stativen zum Wasser hin.

Sie sitzen und blicken aufs Wasser und warten. Noch nie sah ich, dass einer der Angler einen Fisch aus dem Wasser zog.

Was den Hamburgern die Außenalster, war den Galiläern der See Genezareth.

Als Jesus seine ersten Jünger auswählte, auch bei so einem Ufergang, waren es keine Angler, aber Fischer, die er dort sah. Die waren mit ihren Netzen beschäftigt.

Und er rief vier von ihnen zu sich, wie aufs Geratewohl.

Ob er da mehr wusste von ihnen, ihrem Leben und ihren Überzeugungen, als ich von den Alsteranglern? Auf jeden Fall ist es eigenartig, wie Jesus sich in geradezu blindem Vertrauen seine Jünger auswählte für seinen Weg nach Jerusalem. Kein Zeugnis ließ er sich von ihnen vorlegen. Ein Bewerbungsgespräch führte er auch nicht. Keine Personalchefin, kein Handwerksmeister würde so verfahren. Vielleicht verließ er sich darauf, dass seine Sache, sein "Projekt Himmelreich", so gut war, dass keiner es kaputt machen könnte. Zu suchen und selig zu machen, was verloren ist - das war Jesu Programm.

Ihm ging es zuerst darum, die Kaputten aus dem Meer des Elends zu erretten. Menschenfischer nannte er seine Jünger, nicht Menschenfänger.

In einer Woche haben wir eine andere Wahl. Um die Alster herum sind auf Plakaten die Kandidatinnen und Kandidaten zu sehen, die nach Berlin wollen. Sie wenden uns nicht den Rücken zu. Ihre Konterfeis strahlen uns an mit werbend beruhigendem Lächeln. Gerade so, als wollten sie uns ködern.

Die Methode Jesu - pures Zutrauen - empfiehlt sich für die Bundestagswahl nicht.

Noch sind die Männer und Frauen auf den Plakaten "Stimmenfänger". Ob sie auch Menschenfischer im guten biblischen Sinne sein wollen und wie sie mit Krieg und Frieden, mit der Armut bei uns und weltweit und mit der Schöpfung umgehen wollen - das zu überprüfen haben wir noch eine Woche Zeit.

@ bischoefin.jepsen@nordelbien.de