Nach zwei Jahren endet für den 19-Jährigen aus Uelzen der Prozess wegen sexuellen Missbrauchs.

Uelzen/Antalya. Zwei Jahre lang hat Marco Weiss auf ein Urteil warten müssen. Die Hoffnung, dass vor dem Gericht im türkischen Antalya doch noch alles gut ausgehen wird, hatte ihm und seiner Familie bis zuletzt Kraft gegeben. Ganz so kam es nun doch nicht: Statt des ersehnten Freispruchs wurde der 19-Jährige aus dem niedersächsischen Uelzen gestern wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren, zwei Monaten und 20 Tagen verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Zwar ist es nicht der erhoffte Freispruch, aber immerhin ging mit dem Urteil ein zwei Jahre dauernder nervenaufreibender Prozess um den jungen Mann aus Niedersachsen vor einem türkischen Gericht zu Ende. Der 19-Jährige will seine Verurteilung nicht hinnehmen. "Marco will das so nicht stehen lassen", sagte seine Mutter Martina Weiss gestern Abend in Uelzen. "Dieses Urteil sagt nichts über Schuld oder Unschuld aus. Wir erkennen dieses Urteil selbstverständlich nicht an. Es ist falsch und ungerecht."

Marcos deutscher Anwalt Jürgen Schmidt: "Wie das Gericht zu diesem Urteil kommen konnte, wissen wir nicht. Es sieht für mich so aus, dass die Richter die lange Verfahrensdauer und die Untersuchungshaft nicht beiseiteschieben wollten." Marcos Vater Ralf Jahns sagt: "Wir sind maßlos enttäuscht, Marco empfindet das Urteil als ungerecht." Beide Seiten wollen in Berufung gehen.

Begonnen hatte alles am 10. April 2007 nach einem Disco-Abend, der für den damals 17-Jährigen und die 13 Jahre alte Britin Charlotte in einem Hotelzimmer in Side endet. Zwei Tage später wird Marco festgenommen. Der Prozess gegen ihn beginnt am 6. Juli 2007. Er spricht von gemeinsamen Zärtlichkeiten, sie von sexueller Belästigung. Die Verhandlung wird immer wieder vertagt und zieht sich hin. Marco bleibt in einem türkischen Gefängnis in Haft - 247 Tage lang. Erst am 14. Dezember 2007 kommt er frei und kehrt nach Deutschland zurück.

In Deutschland hat es immer wieder öffentliche Kritik an der Inhaftierung des Jungen gegeben. Umso größer ist denn auch die Aufmerksamkeit, als Marco freigelassen wird. Tagelang wird das Haus seiner Familie in Uelzen von Reportern belagert, aber der Jugendliche hat sich mit seiner Familie zurückgezogen. In einem Fernsehinterview redet er dann doch noch über seine Haft in der Türkei.

Trotz der Freilassung geht der Prozess zunächst weiter - und scheint kein Ende zu nehmen. Zum nächsten Verhandlungstermin am 1. April 2008 erscheint Marco nicht mehr selbst in Antalya. Seine Anwälte machen eine medizinische Empfehlung des Therapeuten geltend. Derweil reiht sich in Antalya weiter Prozessvertagung an Prozessvertagung. Marco reist auch an den folgenden Prozesstagen nicht mehr nach Antalya. Eine Vorladung liegt aber auch nicht vor. Schließlich gibt es im Mai einen Hoffnungsschimmer. Die Lüneburger Staatsanwaltschaft, die ebenfalls gegen Marco ermittelte, stellt das Verfahren ein. Es fehle ein hinreichender Tatverdacht, um Anklage zu erheben, heißt es. In der Türkei findet indessen auch ein medizinischer Bericht, der für Marco entlastend ist, kein Gehör. Stattdessen plädiert die Staatsanwaltschaft in Antalya am 5. Juni auf "schuldig".

Seine Zeit im türkischen Gefängnis hat der Junge versucht, in dem Buch "Marco W. - Meine 247 Tage im türkischen Knast" (Verlag Hamburger Kinderbuch, 14,95 Euro) aufzuarbeiten, das Ende vergangenen Jahres erschien. Auch wenn die größte Anspannung mit dem Urteil überstanden sein dürfte, von Normalität ist die Familie noch weit entfernt; Wegen der traumatischen Erlebnisse ist Marco, der bei der Urteilsverkündung in Antalya nicht anwesend war, in ärztlicher Behandlung. Ganz verwinden kann er den Albtraum um seine erste Ferienliebe wohl nie.