Sollte es für eine schwarz-gelbe Koalition nicht reichen, schließt er ein Dreier-Bündnis auch mit den Grünen oder dem SSW nicht aus.

Hamburger Abendblatt: Herr Carstensen, der Vorsprung von CDU und FDP in den Wahlumfragen schmilzt. Woran liegt das?

Peter Harry Carstensen: Ich kann mich noch gut an die Wochen vor der Landtagswahl 2005 erinnern. Damals waren die Umfragewerte für die CDU nicht so toll. Dann haben wir gewonnen. Ich rechne auch diesmal mit gutem Ergebnis und bin überzeugt, dass wir zusammen mit der FDP eine Mehrheit bekommen.

Abendblatt: Wen würden Sie im Notfall als dritten Partner mit ins Koalitionsboot holen - SSW oder Grüne?

Carstensen: Das sind alles Spekulationen. Abgerechnet wird am Wahlabend. Der SSW ist eine demokratische Partei, mit der man immer reden kann. Das gilt auch für die Grünen. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich zum Vorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, ein sehr gutes Verhältnis habe.

Abendblatt: In Hamburg regieren die Grünen mit.

Carstensen: Hamburg zeigt, dass es funktionieren kann. Ole von Beust hat mir erzählt, dass es ganz ordentlich läuft.

Abendblatt: Eine Große Koalition ist kein Thema mehr - jedenfalls nicht mit SPD-Chef Ralf Stegner?

Carstensen: So ist es. Mit der SPD konnte man zusammenarbeiten, mit Herrn Stegner nicht. Er war das Problem der Großen Koalition. Dieses Problem kann ich mir nicht wieder in die Regierung holen. Das würde keiner verstehen.

Abendblatt: Sie waren der beliebteste Politiker in Schleswig-Holstein. In der jüngsten Umfrage mussten Sie Federn lassen. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki ist nun die Nummer eins.

Carstensen: Es ist doch klar, dass die vergangenen Monate Spuren hinterlassen haben. Zum einen gibt es Frust über die Große Koalition. Zum anderen wirkt die Debatte über die HSH Nordbank nach. Ich liege aber immer noch deutlich vor Herrn Stegner. Und das mit Wolfgang Kubicki stört mich nicht. Es ist doch schön, wenn die zwei beliebtesten Politiker gemeinsam regieren wollen.

Abendblatt: Zu den Fakten. Schleswig-Holstein ist pleite.

Carstensen: Einspruch. Wir sind nicht pleite, wir sind aber sehr hoch verschuldet. Das liegt vor allem an den Belastungen, die wir 2005 von der rot-grünen Regierung übernehmen mussten.

Abendblatt: Schleswig-Holstein muss seine Neuverschuldung bis 2020 auf null senken. Wo wollen Sie sparen?

Carstensen: Alles muss auf den Prüfstand. Wir wollen Landesaufgaben streichen und bis 2020 insgesamt 4800 Stellen abbauen. Das ist fast jede zehnte Stelle im Landesdienst. Darüber hinaus müssen wir den Rotstift bei den freiwilligen Leistungen des Landes ansetzen.

Abendblatt: Im Wahlkampf spielt die HSH Nordbank eine große Rolle. Wann braucht die Bank weitere Steuergelder?

Carstensen: Gemach, gemach. Die HSH Nordbank ist auf einem guten Weg. Sie macht wieder Geschäfte. Die Verluste in den Quartalsbilanzen waren geringer als erwartet. Und das sind keine geschönten Zahlen, die nach der Landtagswahl anders aussehen. Wir mogeln nicht.

Abendblatt: Eine breite Mehrheit aus SPD, FDP, Grünen und SSW fordert den Rauswurf von HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher?

Carstensen: Herr Nonnenmacher hat einen Vertrag. Die HSH Nordbank braucht zudem Kontinuität im Vorstand. Die Restrukturierung der HSH läuft. Die Nordbank ist nicht über den Berg. Das letzte Okay der EU-Kommission steht noch aus.

Abendblatt: Sie haben den Sonderobolus an den HSH-Chef in Höhe von 2,9 Millionen Euro erst verteidigt.

Carstensen: Ich habe die Zahlungen nicht verteidigt, sondern nur auf den vertraglichen Anspruch des HSH-Vorstandschefs hingewiesen. Herrn Nonnenmacher muss zugleich klar sein, dass man solche Ansprüche in diesen Zeiten nicht einlöst oder aber seinen Ruf ruiniert. Was wir bei den Banken und in der gesamten Wirtschaft brauchen, sind zwei kleine Dinge. Das eine ist das Einmaleins und das andere sind die zehn Gebote. Beides zusammen würde für ein bisschen mehr Moral in der Geschäftswelt sorgen.

Abendblatt: Sie wollen die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängern.

Carstensen: Ich bin nicht für eine generelle Verlängerung. Nur Kernkraftwerke, die zweifelsfrei sicher sind, sollen mehr Strom produzieren dürfen.

Abendblatt: Was heißt das für die Meiler Krümmel und Brunsbüttel?

Carstensen: Krümmel und Brunsbüttel sind derzeit vom Netz. Bei Krümmel wird es eine umfassende Prüfung geben. Sie wird schärfer sein als nach dem Störfall 2007. Deswegen ist es nicht sicher, ob Krümmel wieder ans Netz kommt. Es war übrigens ein SPD-geführtes Ministerium, das in diesem Sommer die Genehmigung zum Wiederanfahren von Krümmel gegeben hat.

Abendblatt: Hat Krümmel-Betreiber Vattenfall der Atomenergie nicht einen Bärendienst erwiesen?

Carstensen: Ja, so etwas darf nicht passieren. Vattenfall hat nicht nur der Kernkraft, sondern der gesamten Energiewirtschaft einen Bärendienst erwiesen.

Abendblatt: Zur Bildungspolitik. In Schleswig-Holstein wird es nur noch ein zweigliedriges Schulsystem geben. Widerspruch?

Carstensen: Nein. Wir halten an den Gymnasien fest und werden daneben Gemeinschafts- und Regionalschulen zusammenfassen. Die Schulen entscheiden dann selbst, wie weit sie die Kinder nach der gemeinsamen Orientierungsstufe differenziert unterrichten.

Abendblatt: Hamburg setzt auf die Primarschule. Ist das ein Modell für Schleswig-Holstein?

Carstensen: Wir wollen bei uns keine neue Debatte über das Schulsystem. Das kann man den Eltern, Lehrern und Schülern nicht zumuten. Was wir brauchen, sind Veränderungen in den Schulen selbst. Ich denke etwa an die Profiloberstufe. Unsere Schüler sind stärker belastet als die in anderen Bundesländern. Da ist im damals SPD-geführten Bildungsministerium etwas falsch gelaufen. Hier wird es Korrekturen geben.

Abendblatt: Die Große Koalition in Schleswig-Holstein wollte eine gemeinsame Verwaltungs- und Wirtschaftsregion Schleswig-Holstein und Hamburg bilden. Warum hat es nicht geklappt?

Carstensen: Wir sind auf dem Weg dahin. Hamburg und Schleswig-Holstein haben eine enge Abstimmung. Und wir arbeiten am nächsten Schritt, einer Arbeitsteilung: Was Hamburg besser kann, soll Hamburg machen, was wir besser können, müssen wir machen. Ob die Entwicklung irgendwann in einen Nordstaat mündet, entscheiden die Bürger.

Abendblatt: Sie gelten als König der Volksfeste. Darüber lästert auch FDP-Mann Kubicki. Sind Sie darüber empört?

Carstensen: Überhaupt nicht. Ich empfehle allen, mehr auf Volksfeste zu gehen. Da kann auch Herr Kubicki noch sehr viel lernen.

Abendblatt: Bei einem Wahlsieg haben Sie durchblicken lassen, dass Sie den Regierungsstab irgendwann übergeben wollen. Vielleicht an ihren Kronprinzen Christian von Boetticher?

Carstensen: Der Reihe nach. Wenn ich ausscheide, soll das nicht überstürzt geschehen. Ich möchte es so machen wie Bernhard Vogel einst in Thüringen. Wann es so weit ist, wird sich zeigen. Ich habe da keine Eile. Über einen Nachfolger spekuliere ich nicht. Es gibt einige, die eine spitzenmäßige Arbeit machen. Christian von Boetticher gehört dazu.