Elisabeth Heister-Neumann (CDU) soll persönlich für ein Disziplinarverfahren gegen Gewerkschaftschef Brandt gesorgt haben.

Hannover. Nach mehr als sechs Jahren im Amt schlittert die niedersächsische Landesregierung in ihre erste schwerwiegende Personalkrise. Am Wochenende erhärtete sich der Verdacht, dass Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) persönlich dafür gesorgt hat, dass gegen den Vorsitzenden der Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Eberhard Brandt ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Bestätigt sich dies, ist ein Rücktritt kaum noch zu vermeiden. Die Ministerin hat eine solche Einflussnahme stets bestritten.

Brisant ist vor allem ein Vermerk der Schulbehörde über entsprechende "Vorgaben der Hausspitze des Kultusministeriums" wegen der "politischen Bedeutung" des Vorgangs. Das Kultusministerium wollte sich gestern erneut nicht zu dem Fall äußern, verwies auf die grundsätzliche Vertraulichkeit von Personalangelegenheiten, obwohl der betroffene GEW-Chef Brandt auf Vertraulichkeit der Akte ausdrücklich verzichtet hat. Die Freistellung von Brandt für Gewerkschaftsarbeit ist inzwischen bereits neu geregelt. Brandt selbst teilte am Wochenende mit, die Schulbehörde habe seinem Anwalt die Einstellung des Disziplinarverfahrens angekündigt.

Das Durchsickern immer neuer Schriftstücke aus der Ministerialbürokratie, die die Ministerin belasten, ist wegen der Bundestagswahl am 27. September für die CDU/FDP-Koalition unter Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) denkbar ungünstig. Der von Oppositionsführer Wolfgang Jüttner als "längst überfällig" geforderte Rücktritt der Ministerin wäre aber auch eine persönliche Schlappe für den Ministerpräsidenten. Wulff hat nach der Landtagswahl Anfang 2008 den populären damaligen Kultusminister Bernd Busemann (CDU) überraschend durch Heister-Neumann ersetzt. Busemann war in der Vergangenheit einer der wenigen CDU-Politiker, die auch Widerspruch wagten.

Heister-Neumann dagegen gilt als treue Anhängerin Wulffs. Sie sollte für Ruhe an den Schulen sorgen, erreichte aber durch ungeschicktes Agieren genau das Gegenteil. Erstmals in der Geschichte des Landes machten alle Lehrer-, Eltern- und Schülerverbände geschlossen gegen eine Landesregierung Front. An der Spitze der Bewegung stand dabei immer GEW-Chef Brandt.

Und genau er wurde dann im April in Medienberichten als "Schulschwänzer" dargestellt, der seiner Unterrichtsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Inzwischen kristallisiert sich heraus, dass bereits diese Informationen aus der Ministerialbürokratie gestreut wurden, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt kein förmliches Verfahren gab. Die zuständige Landesschulbehörde riet zudem von einem solchen Verfahren ab, musste es dann aber eröffnen.

Kultusministerin Heister-Neumann muss heute im Kultusausschuss Rede und Antwort stehen. Es wird erwartet, dass sie sich anschließend öffentlich äußert. Die SPD forderte nach dem Bekanntwerden der Aktenvermerke erneut die Entlassung der Ministerin. "Entweder sie schafft am Montag alle Vorwürfe aus der Welt oder wir werden am Mittwoch im Landtag einen Entlassungsantrag stellen", sagte SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner. "Jetzt ist Ministerpräsident Wulff gefordert." Der Antrag hätte wegen der Mehrheit von CDU und FDP jedoch keine Aussicht auf Erfolg. "Dann würde die Koalition der Ministerin attestieren, dass sie eine hervorragende Arbeit macht", sagte Jüttner süffisant.