Fünf Wochen vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat Ministerpräsident Peter Harry Carstensen die Karten neu gemischt.

Ahrensburg. Mit dem am Wochenende in Ahrensburg präsentierten Wahlprogramm rückt die CDU derart in die Mitte, dass neben einer Koalition mit dem Wunschpartner FDP im Notfall auch ein Dreierbündnis mit den Grünen möglich wäre.

"Ich gehe davon aus, dass es mit der FDP reicht", sagte Carstensen. Sollte es nicht klappen, "reden wir dann über alles andere". Carstensen lobte zugleich die Grünen. Bei ihnen habe es einen Generationswechsel gegeben, und mit dem Landeschef der Öko-Partei, Robert Habeck, könne man gut zusammenarbeiten.

Rückendeckung bekam Carstensen von CDU-Spitzenfunktionären. Sie räumten ein, dass ein schwarz-gelber Wahlsieg keinesfalls sicher sei und die CDU deshalb weitere Optionen brauche. Erste Wahl ist dabei ein Jamaika-Bündnis. Eine Neuauflage der Großen Koalition ist in der Union wenig populär, eine Koalition mit dem linken SSW wird nahezu ausgeschlossen.

Die Tür zu Jamaika öffnete die CDU mit ihrem Wahlprogramm. Kernpunkt ist wie auch für FDP und Grüne eine "nachhaltige" Finanzpolitik. Das überschuldete Land soll seine Nettokreditaufnahme bis 2020 auf null senken (Schuldenbremse), dafür 4800 Stellen streichen und auch sonst eisern sparen. Wer Opfer bringen soll, ließ Carstensen offen.

Den größten Schwenk machte die CDU, die 2005 noch für das dreigliedrige Schulsystem gekämpft hatte, in der Bildungspolitik. Die auf Druck der SPD eingerichteten Gemeinschaftsschulen sollen erhalten bleiben und zusammen mit den Regionalschulen zur zweiten Schulart neben dem Gymnasium werden. Die CDU will zudem alle Schulen von der Leine lassen. Sie sollen selbst entscheiden, wie sie es mit Sitzenbleiben, Lernplänen und Zeugnissen halten.

Die CDU wolle die "Selbstständige Schule", betonte Carstensen. Teile des Konzepts könnten von den Grünen stammen. Sie werben für eine "autonome" Schule. Auch bei den Hochschulen änderte die CDU den Kurs. Sie beerdigte ihre alte Forderung nach Studiengebühren.

Fast im Einklang tickt Schwarz-Grün bei der Windenergie. Die bisherige Begrenzung für Rotoren (ein Prozent der Landesfläche) soll aufgehoben werden. Die CDU setzt allerdings weiterhin auf die "Übergangstechnologie" Atomkraft und auf neue Kohlemeiler. In der Verkehrspolitik blieb die CDU sich treu. Sie will die A 20 und die Fehmarnbelt-Querung (mit Ausbau der Sundbrücke) vorantreiben, die Elbquerung östlich Hamburgs anpacken und den Bau eines Großflughafens Kaltenkirchen als "Option" erhalten.

Das Programm stellte Carstensen in Ahrensburg bewusst ausführlich vor (75 Minuten), einerseits um zu zeigen, dass er sich auch um die Inhalte kümmert, andererseits um die Parteifreunde zu besänftigen. Grund: Das Programm wurde nur vom Landesvorstand beschlossen und nicht wie üblich von einem Parteitag.

Die SPD sprach von einem "Fata-Morgana-Programm". Die CDU sei in Wahrheit "stockkonservativ". Beifall bekam Carstensen von der FDP. Die Grünen, die ohne Koalitionsaussage in die Wahl ziehen, kritisierten die "gestrige" Verkehrspolitik der CDU, bescheinigten ihr aber eine "dreiste" Wende in der Schulpolitik.