Die Lebenshilfe Schenefeld hat eine Spanien-Reise für eine Behindertengruppe organisiert. Nun hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Schenefeld. Wie berichtet hatte die Organisation zwei 20 Jahre alte, nach deren eigenen Angaben völlig unerfahrene Abiturienten als ständige Begleiter der vierköpfigen Gruppe mitgeschickt.

Die jungen Männer hatten von einer Betreuerin das verschreibungspflichtige Beruhigungsmittel Tavor mitbekommen. "Wir haben nun ein Vorermittlungsverfahren angelegt", sagte Ralph Döpper, Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Itzehoe dem Abendblatt. "Wir prüfen, ob ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vorliegt." Das Medikament war den Abiturienten kurz vor der Reise für einen Autisten überreicht worden - mit dem Hinweis, ein bis zwei Tabletten "bei lautem Geschrei und Schlägen auf den Kopf" zu verabreichen. Laut Gesetz dürfen aber nur Ärzte das Medikament zum unmittelbaren Verbrauch verabreichen, sagt der Hamburger Medizinrechtler Jens-Arne Reumschüssel.

Nach dem Bekanntwerden der staatsanwaltlichen Ermittlungen will die Bundesvereinigung der Lebenshilfe nun den Sachverhalt prüfen, bestätigte der Bundesgeschäftsführer Ulrich Bauch dem Abendblatt. Die Lebenshilfe Schenefeld habe darum gebeten. "Abschließend wird es dann von unserer Seite einen Bericht zu diesem Fall geben", sagte Bauch.

Er betonte, dass die Lebenshilfe Schenefeld grundsätzlich rechtlich und wirtschaftlich selbstständig arbeite. Der Bundesverband ist eine von Eltern mit behinderten Kindern gegründete Selbsthilfeorganisation. Sie hat deutschlandweit gut 125 000 Mitglieder, ist in mehr als 500 Orts- und Kreisvereinigungen organisiert. Die Lebenshilfe Schenefeld ist eine davon. Deren Geschäftsführerin Christa Lewon will sich zu den Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht äußern - mit dem Hinweis auf ein schwebendes Verfahren.

Unterdessen sorgt der Fall in der Politik für Wirbel. "Die Lebenshilfe muss ganz dringend für Aufklärung und für eine Klarstellung sorgen", forderte Schenefelds Bürgermeisterin Christiane Küchenhof (SPD). Sie betont, dass die Stadt in derlei Vorgänge nicht eingebunden ist. Eine direkte Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem Verein gebe es nur hinsichtlich der drei Kindertagesstätten der Lebenshilfe. CDU-Fraktionschef Hans-Jürgen Rüpcke befürchtet, dass der Fall ein negatives Image auf die Stadt wirft. "Der Verein ist gefordert, sich zu erklären und dafür zu sorgen, dass so etwas in Zukunft vermieden werden kann", fordert er.

Monika Stehr (SPD), Erste Stadträtin und Vorsitzende des Sozialausschusses, ist über die Vorgehensweise der Lebenshilfe entsetzt. "Die Arbeit mit Schwerbehinderten ist schwierig, sie erfordert ganz viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Erfahrung." Wenn der Fall stimme, "müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden". Stehr betonte, dass die in Schenefeld und Hamburg tätige Lebenshilfe an sich sehr gute und wertvolle Arbeit leiste. "Aber in diesem Fall muss man dem Vorsitzenden des Vereins mal gewaltig auf den Zahn fühlen."