1330 Beamte stürmen 180 Restaurants und Wohnungen. Schleuserbande kassierte mehrere Millionen Euro.

Hannover. Mit windigen Versprechungen wurden sie von China nach Deutschland gelockt: Als Köche könnten sie hier ein Vermögen verdienen, hieß es. Rund 1000 Menschen aus Fernost fielen darauf rein - und zahlten für diese Aussicht mehrere Tausend Euro. Am Ende verdienten sie aber weniger als drei Euro in der Stunde. Im Westen erwartete sie das Leben von Rechtlosen. Das Geschäft indes machten die Köpfe einer dubiosen Vermittlungsagentur. Jetzt haben die Ermittlungsbehörden der Schleuserbande das Handwerk gelegt. Gut 1330 Beamte der Staatsanwaltschaft, der Bundes- und Landespolizei sowie des Zolls durchsuchten 180 China-Restaurants und Wohnung in ganz Deutschland.

Vor einem Jahr erhielt die Staatsanwaltschaft Hannover den ersten Hinweis. Eine Vermittlungsagentur in der Nähe der niedersächsischen Landeshauptstadt sei in kriminelle Machenschaften verwickelt. Derartige Agenturen sind eigentlich nichts Ungewöhnliches. Sie vermitteln sogenannte "Spezialitätenköche" aus China nach Deutschland. Ein Abkommen zwischen den beiden Ländern regelt, dass Spezialisten, Peking-Enten-Köche etwa, bis zu vier Jahre im Westen arbeiten dürfen. Damit soll die kulturelle Vielfalt gefördert werden.

Doch darauf hatte es die Agentur im Raum Hannover nicht abgesehen. "Sie ist zu dem Zweck der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Schleusung gegründet worden", sagt Kriminalhauptkommissar Frank Federau, Sprecher des niedersächsischen Landeskriminalamts (LKA). In China rekrutierten die Menschenhändler ihre Köche. Spezialisten waren sie nicht. In wenigen Tagen wurden ihnen ein paar Kniffe beigebracht. Für die Vermittlung nach Deutschland zahlten sie dann Provisionen zwischen 5000 und 12 000 Euro. Ein lukratives Geschäft. Laut Ermittlungen soll die Agentur in den vergangenen zehn Jahren rund 1000 Menschen nach Deutschland geschleust haben.

"Hier waren sie den Restaurant-Betreibern ausgeliefert. Das war moderner Sklavenhandel", sagt Kriminalhauptkommissar Federau. Ihnen wurden die Pässe abgenommen. Dafür mussten die Köche 80 bis 90 Stunden in der Woche schuften. Der "Spiegel" berichtet von einem Opfer, das sieben Tage in der Woche arbeiten musste, eine Matratze in der Wäschekammer zum Schlafen und lediglich Reis, Nudeln und Chinakohl zu essen bekam. Monatslohn: 300 Euro. Als dieses sich bei der Agentur beschwerte, sei ihm gedroht worden, nach Hause geschickt zu werden.

Rechtsanwalt Bernhard Welke vertritt rund 80 dieser Opfer. "Wenn man gerichtlich gegen die Betreiber vorgeht, machen die absichtlich Pleite, nur um nicht zahlen zu müssen." Größere Restaurants hingegen würden die Beschwerdeführer sofort bei den Meldebehörden anschwärzen und behaupten, die Köche würden nicht arbeiten. Da der Aufenthaltstitel an den Arbeitsplatz im Restaurant gebunden ist, müssten die Köche sofort zurück nach China.

Seit März sitzen zwei Chinesen (46, 38) und eine Chinesin (35) in Untersuchungshaft. Das Trio hatte die Vermittlungsagentur bei Hannover betrieben und soll mehrere Millionen Euro kassiert haben. Die Ermittler sehen zunächst keine Verbindung der Schleuserbande zur chinesischen Mafia. Das Trio habe unabhängig operiert, sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Lendeckel am Dienstag in Hannover. Vermutlich wird es im Verlauf der Ermittlungen weitere Festnahmen geben.