Recht schaffen und rechtschaffen gehören für einen Richter am Landgericht Göttingen offenbar nicht zusammen. Weil er seine Arbeit nicht korrekt oder zumindest nicht schnell genug erledigt, ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft gegen ihn.

Göttingen. Gegen den Juristen sei ein Verfahren wegen Straf- und Vollstreckungsvereitelung eingeleitet worden, sagte ein Sprecher der Göttinger Strafverfolgungsbehörde. Der Vorsitzende einer Berufungskammer des Landgerichts soll diverse längst verkündete Urteile nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht zu Papier gebracht haben. Deshalb befinden sich möglicherweise mehrere zu Haftstrafen verurteilte Angeklagte weiterhin in Freiheit. In zumindest einem Fall habe die Staatsanwaltschaft eine rechtskräftige Haftstrafe nicht vollstrecken können, weil das schriftliche Urteil nicht rechtzeitig vorlag, sagte der Sprecher. In anderen Fällen sei noch unklar, ob die Urteile des Richters rechtskräftig seien oder nicht. Der Jurist habe die Anfragen der Staatsanwaltschaft dazu nicht beantwortet.

Die Strafverfolger werfen dem Richter weiterhin vor, für verschiedene Berufungsprozesse keine Verhandlungstermine angesetzt zu haben, obwohl die erstinstanzlichen Urteile zum Teil schon Jahre zurückliegen. In einem Fall war ein Angeklagter im Sommer 2007 zu mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er wartet noch heute auf die Berufungsverhandlung. Die Staatsanwaltschaft, die diesen Angeklagten hinter Gitter wissen will, hegt den Verdacht, das Verhalten des Richters sei Strafvereitelung. Auf dieses Delikt stehen bis zu fünf Jahre Haft.

Eine Sprecherin des Landgerichts wollte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht näher kommentieren. Es seien "dienstliche Maßnahmen ergriffen" worden. Das niedersächsische Justizministerium sei informiert. Der Richter übe sein Amt vorerst weiter aus.

Dem "Göttinger Tageblatt" hatte der Richter gesagt, er sei total überlastet. Aus Justizkreisen hieß es, der Mann lasse schwierige Fälle einfach liegen. Die Ermittlungen gegen den Juristen wird voraussichtlich die Staatsanwaltschaft Braunschweig führen. Die Göttinger Strafverfolger möchten den Fall wegen der "dienstlichen Nähe" zum Landgericht gern dorthin abgeben.