Kanzlerin Merkel hält ein Wiederanfahren für machbar, Umweltminister Gabriel hält Schließung für realistisch.

Geesthacht. Sechs Tage nach der Schnellabschaltung des Atomkraftwerks Krümmel haben die Vorbereitungen zur Analyse der Brennstäbe begonnen. "Die vorbereitenden Arbeiten laufen", sagte Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow am Freitag. "Der Reaktor wird an diesem Wochenende aufgemacht. Die Analyse der Brennstäbe beginnt am Montagmorgen." Vattenfall Europe hatte am Donnerstag angekündigt, alle 67 000 Brennstäbe des abgeschalteten Meilers zu untersuchen, weil mindestens ein Brennstab defekt sei. Mit dem Trafo-Kurzschluss, der am vorigen Sonnabend zur Abschaltung des Reaktors bei Geesthacht führte, habe der Brennstabdefekt vermutlich direkt nichts zu tun, hieß es.

Die Auswertung der jetzt angelaufenen Arbeiten dauert voraussichtlich zwei bis drei Tage. "Mitte bis Ende nächster Woche müssten wir Ergebnisse haben", sagte die Vattenfall-Sprecherin. Das Unternehmen hatte angekündigt, nach der neuen Panne sämtliche Abläufe zu prüfen. Der 26 Jahre alte Reaktor war erst vor gut zwei Wochen nach zweijähriger Pause wieder ans Netz gegangen.

Während SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und die SPD in Schleswig-Holstein die endgültige Schließung des Kraftwerks fordern, hält Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Wiederanfahren unter bestimmten Bedingungen für machbar. Die technischen Schwierigkeiten müssten behoben werden und die Voraussetzungen des Atomgesetzes umfassend erfüllt sein, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. "Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann kann auch der Meiler in Krümmel ans Netz gehen." Für die Kanzlerin stehe Sicherheit an oberster Stelle.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hält eine Schließung des Kraftwerks nach den jüngsten Störungen für realistisch. "Wir werden Krümmel auf Herz und Nieren prüfen", sagte er in Berlin. Das Kraftwerk sei nicht auf dem Stand von Wissenschaft und Technik. Notfalls werde der Bund das Wiederanfahren per atomrechtlicher Weisung unterbinden. Der Parteirat der Nord-SPD verlangt die Stilllegung Krümmels und begründete dies mit der "beispiellosen Pannenserie" der letzten Jahre. Vattenfall habe jede Chance verspielt, die Eignung im Betrieb solcher Anlagen zu beweisen und sollte auf Versuche zum Wiederanfahren in Krümmel verzichten. Der SPD-Parteirat forderte die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zur Verschärfung des Atomrechts vorzubereiten. Ziel sei es, die Zuverlässigkeitsprüfung auf das Gemeinwohl auszurichten statt auf die Betreiberinteressen.

Das Kraftwerk soll laut Vattenfall im Frühjahr nächsten Jahres technisch wieder anfahrbereit sein. Allein der angekündigte Austausch der beiden großen Transformatoren erfordert Monate. Ebenfalls voraussichtlich einige Monate wird die Zuverlässigkeitsprüfung dauern, die das Kieler Sozialministerium als Atomaufsicht eingeleitet hat. Vattenfall hat Zweifel an der Zuverlässigkeit als AKW-Betreiber zurückgewiesen und erklärt, ein völliges Abschalten Krümmels stehe nicht zur Debatte.

Über den aktuellen Stand will der Geschäftsführer der Vattenfall-Nuklearsparte, Ernst Michael Züfle, an diesem Sonnabend in Geesthacht die Bürger informieren. Das Unternehmen hat für 10 Uhr in sein Informationszentrum zu einer "Informations- und Dialogveranstaltung" eingeladen.