Krankenschwester Sandra Bender aus Kiel macht deutlich, warum die Partei Probleme in den Städten hat: “Die CDU tickt irgendwie anders als ich.“

Neumünster/Kiel. Sandra Bender bereitet Schleswig-Holsteins CDU schlaflose Nächte. Die selbstbewusste Frau ist jung (27), berufstätig (Krankenschwester), lebt in der Stadt (Kiel) und steht damit exemplarisch für eine Wählergruppe, die ihr Kreuz eher bei SPD, Grünen, FDP oder der Linkspartei macht. "Die CDU ist nicht so mein Fall", sagt sie und zuckt mit den Achseln. "Die CDU tickt irgendwie anders als ich."

Wie Sandra Bender geht es vielen jungen Frauen. Nach Wahlanalysen räumt die CDU im Norden nach wie vor in den Dörfern ab, wird in den Städten aber nur noch von etwa jeder fünften Frau zwischen 20 und 40 gewählt. Der mangelnde Rückhalt in dieser Gruppe ist ein Grund dafür, dass die CDU bei den Kommunalwahlen 2008 in größeren Städten abstürzte (in Lübeck von 50 auf 25,5 Prozent) und danach Direktwahlen in Schenefeld, Uetersen, Pinneberg und zuletzt in Kiel verlor.

"Die Lage in den Städten ist schwierig", sagte Ministerpräsident und CDU-Chef Peter Harry Carstensen (62) gestern in Neumünster. Die dortige CDU hat vorbeugt. Bei der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag schickt sie kein Parteimitglied ins Rennen, sondern gemeinsam mit FDP und Grünen einen "unabhängigen" Kandidaten.

Für eine schwarze Trendwende soll Bargteheides Bürgermeister Henning Görtz sorgen. Der CDU-Vordenker leitet eine Arbeitsgruppe, die eine Stadtoffensive plant. Sandra Bender ist skeptisch. "Ich interessiere mich schon für Politik, gehöre aber keiner Partei an", erzählt die Single-Frau, die nach der Realschule zunächst Raumausstatterin lernte. "Ich bin Wechselwählerin."

Bei der CDU hat sie bisher nur einmal ihr Kreuz gemacht, bei der Bundestagswahl 2005. Den Ausschlag gab damals Angela Merkel. "Ich fand es gut, dass eine Frau ins Kanzleramt wollte." Die CDU in Schleswig-Holstein habe da wenig zu bieten, erklärt Sandra Bender. "Ich habe den Eindruck, das ist eine reine Männerpartei", sagt sie und ergänzt: "Es sind vor allem alte Männer."

In der CDU mag man das so nicht bestätigten. Fakt ist, dass von den 26 500 Mitgliedern der Nord-CDU 20 000 männlich sind. Der Altersdurchschnitt liegt bei 56,3 Jahren. Der Frauenanteil in der Partei (derzeit 24,5 Prozent) hat sich trotz Werbekampagnen kaum erhöht. Noch düsterer sieht es bei den Führungsposten aus. In der CDU-Fraktion des Landtags sitzen 23 Männer und sieben Frauen, in der Bundestagsgruppe sieben Männer und eine Frau, im Kieler Kabinett neben Carstensen acht CDU-Männer (drei Minister, fünf Staatssekretäre) und nur eine einzige Frau - Wirtschafts-Staatssekretärin Karin Wiedemann.

Sandra Bender kennt Wiedemann nicht, wohl aber "einige Frauen in der SPD, etwa Heide Simonis". Sie ist als Ministerpräsidentin zwar Geschichte. Am Kabinettstisch machen aber weiterhin zwei rote Ministerinnen Politik. Von den 20 000 SPD-Mitgliedern im Norden sind 7000 weiblich. Die Frauenquote beträgt damit 34,8 Prozent. Wichtiger als solche Zahlen ist die Präsenz der Parteien. "In meinem Bekanntenkreis gibt es nur einen Mann, der wohl in der CDU ist", erzählt Sandra Bender. Parteigänger von SPD und selbst von Grünen und FDP seien häufiger. Die Statistik belegt das: Die SPD hat in Kiel 1570 Mitglieder, die CDU 855.

Über die Politik der CDU kann die junge Kielerin nicht klagen. "Es gibt da nichts, was mich grundsätzlich abstößt." Das politische Klima im Freundeskreis sei aber "eher rot". Von den Studenten, die gegen die CDU-Pläne für Studiengebühren sind, bis hin zu den "Ökos", die gegen Kernkraft und Autobahnen seien. "Ich sehe das gemischt", sagt Sandra Bender. Sie fährt Auto, aber meistens Fahrrad.

Unterdessen gibt es in der CDU Zweifel, ob Carstensen als Speerspitze für die Stadtoffensive taugt. Zum einen schlägt das Herz des Friesen für Bauern, Jäger und Fischer. Zum anderen wechselt Carstensen seinen Landtagswahlkreis. Er gibt den Stadtwahlkreis Elmshorn auf und tritt 2010 in Husum-Land an.