Ausgerechnet gegen einen der schärfsten Kritiker der Bildungspolitik in Niedersachsen läuft seit Dienstag ein Disziplinarverfahren.

Eberhard Brandt ist Vorsitzender der Lehrergewerkschaft GEW, er soll seiner Unterrichtsverpflichtung an einer Wolfsburger Gesamtschule nicht nachgekommen sein. Hat er also die Schule geschwänzt? Die Landesschulbehörde in Lüneburg bestätigte nur das Verfahren, wollte aber keine Gründe nennen.

Dass die Schulbehörde zwei Tage lang jede Auskunft verweigerte, ist Wasser auf die Mühlen der Oppositionsparteien. Sie vermuten, dass die CDU-FDP-Landesregierung mit gezielten Indiskretionen einen ihrer gewichtigsten Kritiker mundtot machen will. Die SPD erhob den Vorwurf, hier seien "in schäbiger Art und Weise interne Informationen aus der Landeschulbehörde der Presse zugespielt worden", es dränge sich der "Verdacht einer gezielten Diffamierung" auf.

Brandt selbst bestreitet den Vorwurf, seiner Unterrichtsverpflichtung nicht nachgekommen zu sein. Er hat Strafantrag gegen unbekannt gestellt wegen "offensichtlicher Falschaussagen". Diese Gewerkschaft lasse sich nicht einschüchtern. Als Hauptpersonalrat und GEW-Chef muss Brandt weniger unterrichten als normale Lehrer, aber er muss Stunden geben.

Die GEW bildet die Speerspitze der Kritiker gegen die Schulpolitik der bürgerlichen Landesregierung. Die Lehrergewerkschaft organisiert landesweit Proteste gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Unterrichtsversorgung und gegen die Absicht von Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU), die Gesamtschulen dazu zu verpflichten, wie die Gymnasien das Abitur künftig nur noch nach acht Jahren anzubieten. Weil viele Eltern die neunjährige Gymnasialzeit an den Gesamtschulen vorziehen, steigt hier die Zahl der Anmeldungen derzeit stark an. Für die GEW ist deshalb die Schulzeitverkürzung "ein Versuch, die Gesamtschulen kaputt zu machen". Gegen die Verkürzung protestieren landesweit Eltern- und Schülerorganisationen. Problem der Landesregierung: Der Zulauf bei den Gesamtschulen führt zu weiter rückläufigen Anmeldezahlen für die Hauptschulen und gefährdet deren Existenz.

Unter Druck steht die Landesregierung in der Schulpolitik aber auch, weil derzeit völlig offen ist, ob das von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) persönlich vorgestellte Notprogramm zur Sicherung der Unterrichtsversorgung im neuen Schuljahr überhaupt greifen wird. Auch hier mobilisieren breite Bündnisse aus Lehrer-, Eltern- und Schülergruppen sowie den Oppositionsparteien Proteste.