Das Dorf Wiedenborstel hat eine ungewöhnlich wechselvolle Geschichte, war aber immer winzig. "He hett ganz Wiedenbossel op een Dutt", pflegten die Bauern im Störtal vor gut 100 Jahren zu spotten, wenn jemand beim Skat vier Buben auf der Hand hatte. In Wiedenborstel lebten damals nur vier Bauernfamilien. 1906 kaufte ein Hamburger Makler das gesamte Gemeindeland zwischen Hennstedt und dem heutigen Aukrug. Er riss die alten Katen ab, baute Wiedenborstel zu einem schmucken Gut mit einem herrschaftlichen Wohnhaus aus. Das "Schloss", wie die Bauern das weiße Guthaus bald nannten, war angeblich für Prinz Heinrich gedacht. Belege dafür hat der Heimatforscher Wilhelm Hauschildt aus Aukrug nicht. Fakt ist, dass Prinz Heinrich damals das Gut Hemmelmark bei Eckernförde kaufte und dort bis zu seinem Tod 1929 lebte. Das Gut Wiedenborstel blieb in Hamburger Hand. 1914 kaufte der Kaffeegroßhändler Heinrich Thams das Anwesen. Der begeisterte Jäger zäunte einen Teil des Waldes ein und hielt im ersten Wildgatter Schleswig-Holsteins Damwild. Später übernahm Sohn Hans-Heinrich das Gut und machte die Gemeinde etwas bekannter. Der Präsident des Deutschen Kaffee-Verbandes taufte eines seiner Schiffe auf den Namen Wiedenborstel. Nach dem Zweiten Weltkrieg meldete die Gemeinde einen Einwohnerrekord. Auf dem Gut lebten 75 Menschen, darunter 36 Flüchtlinge. Sie blieben nicht auf Dauer, und weil auch auf dem Hof (190 Hektar Felder) immer weniger Landarbeiter gebraucht wurden, regierte Bürgermeister Thams 1970 nur noch über zehn Einwohner. Die zweite Ehefrau des Gutsherrn lebt bis heute in Wiedenborstel, während der Rest des Gutes 1983 an den Landwirt Karl-Heinrich Lemmerbrock aus Melle bei Osnabrück verkauft wurde.
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