Finanzamt: Familie im Urlaub - das hielt den Vollstreckungsbeamten nicht auf

Steuerschuldnerin den Safe angebohrt

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Rainer Burmeister

Der Streit um nicht gezahlte Umsatzsteuer währt seit 2004. Jetzt griff das Amt durch - abgesichert durch einen Gerichtsbeschluss.

Rellingen/Pinneberg. Das Finanzamt in Pinneberg genießt in Fachkreisen den Ruf, Steuerschuldner konsequent und unnachgiebig zu verfolgen. "Unter Anwälten gilt Pinneberg als ,schwieriger Fall'", sagte ein Hamburger Steuerfachanwalt, der namentlich nicht genannt werden wollte, gestern.

Diese Konsequenz hat das Rellinger Ehepaar Gernot und Hella Günther jetzt erlebt. Während die beiden im Türkei-Urlaub waren, drang ein Vollstreckungsbeamter der Behörde in das Einfamilienhaus ein, um Wertsachen wegen Jahre alter Steuerschulden der Frau zu pfänden.

Der Mitarbeiter des Finanzamts war gut gerüstet: Einen Vollstreckungsbeschluss des Amtsgerichts Pinneberg und einen Schlossspezialisten hatte er dabei. Weil der Außendienstler niemanden antraf, ließ er die Eingangstür des Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung gewaltsam öffnen und anschließend ein neues Schloss einbauen.

Wie das Ehepaar nach der Rückkehr aus der Türkei feststellte, war das Haus systematisch nach Wertsachen durchsucht worden. "Bernsteinschmuck meiner Frau, die alleinige Steuerschuldnerin ist, wurde einkassiert. Auch 105 Euro Bargeld nahm der Vollstrecker mit", sagt Gernot Günther. Auf der Suche nach Wertobjekten habe der Beamte nicht nur diverse Türen und Schränke im Erdgeschoss des Eigenheims geöffnet. Auch in den Keller sei der "Geldeintreiber" vorgedrungen.

Dort entdeckte der Beamte im Kleiderschrank einen Tresor, der ihm gehöre, sagt Gernot Günther. Wie Profi-Einbrecher hätten die Eindringlinge versucht, den Safe zu knacken. Zwar gelang es, das Schloss aufzubohren, doch die zusätzlich mit einer Zahlenkombination gesicherte Geldschranktür hielt stand. "Ist doch wohl eine ganz gute Qualität", sagt Günther.

Das Ehepaar erfuhr erst nach der Rückkehr aus der Türkei von den Ereignissen. "Das war auch gut so. Sonst hätten wir vielleicht noch den Urlaub abgebrochen", sagt Günther. Er will jetzt mithilfe eines Anwalts gegen das Finanzamt vorgehen. Der Hausherr ist vor allem erbost darüber, dass sein Eigentum beschädigt wurde. "Die Steuerschulden betreffen ausschließlich meine Frau", sagt Günther. Vom Bargeld, das der Vollstrecker mitnahm und wie den Schmuck und die Pfändung des Tresors quittierte, gehöre ein Teil einer Freundin Hella Günthers, behauptet ihr Mann.

Der offizielle Kommentar zu den Vorgängen im Haus des Ehepaars Günther ist knapp: "Ich kann dazu nichts sagen. Das fällt unter Steuergeheimnis und Datenschutz", sagt Walter Herrgesell, Vorsteher des Finanzamts Pinneberg. Außerhalb der offiziellen Stellungnahme ist zu erfahren, dass diese Angelegenheit eine lange Vorgeschichte hat.

Stimmt, gesteht Gernot Günther ein. Der Streit um die Steuerschulden, Zinsen und Säumniszuschläge von Hella Günther - zwischenzeitlich hatten sie sich auf 65 000 Euro summiert - zieht sich seit 2004 hin. Bis jetzt die Tür aufgebrochen wurde, gab es Zahlungsaufforderungen, die von dem Ehepaar "übersehen wurden", Mahnungen, eine erste versuchte Vollstreckung, bei der Gernot Günther im November des vergangenen Jahres das Finanzamt nicht ins Haus ließ. Irgendwann hatte das Finanzamt einfach genug davon. "Das Dümmste ist eine Vogel-Strauß-Politik, wenn jemand Briefe nicht öffnet und sich gar nicht rührt", sagt Stefan Engelhard, Landesregionalleiter der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung in Hamburg.

Ist der Fall verhältnismäßig? Die Wohnung ist nach dem Grundgesetz besonders geschützt. Ihre Unverletzlichkeit ist in Artikel 13 festgeschrieben - der Einzelne soll sich in seiner Privatsphäre frei entfalten können. Aber es gibt Einschränkungen, wie im Fall der Zwangsvollstreckung. Dabei muss die vollstreckende Instanz nicht nur ordnungsrechtliche Vorgaben beachten, der Fall ist auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu bewerten. Ist der Schuldner "ein unbeschriebenes Blatt" oder hat sich kooperativ gezeigt, könnte eine Zwangsvollstreckung unverhältnismäßig sein, so der Steueranwalt Ulrich Gerken.

Das besagt § 287 (Abgabenordnung): (1) Der Vollziehungsbeamte ist befugt, die Wohn- und Geschäftsräume sowie die Behältnisse des Vollstreckungsschuldners zu durchsuchen, so weit dies der Zweck der Vollstreckung erfordert.

(2) Er ist befugt, verschlossene Türen und Behältnisse öffnen zu lassen.

(3) Wenn er Widerstand findet, kann er Gewalt anwenden und hierzu um Unterstützung durch Polizeibeamte nachsuchen.

(4) Die Wohn- und Geschäftsräume des Vollstreckungsschuldners dürfen ohne dessen Einwilligung nur aufgrund einer richterlichen Anordnung durchsucht werden. Dies gilt nicht, wenn die Einholung der Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde. Für die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist das Amtsgericht zuständig ...

(5) Willigt der Vollstreckungsschuldner in die Durchsuchung ein oder ist eine Anordnung gegen ihn nach Absatz 4 Satz 1 ergangen oder nach Absatz 4 Satz 2 entbehrlich, so haben Personen, die Mitgewahrsam an den Wohn- oder Geschäftsräumen des Vollstreckungsschuldners haben, die Durchsuchung zu dulden. Unbillige Härten (...) sind zu vermeiden.

(6) Die Anordnung nach Absatz 4 ist bei der Vollstreckung vorzuzeigen.

( dfe, Mitarbeit: Dennis Fengler, Elisabeth Jessen )