Dänemark will Teile für die Fehmarnbelt-Querung in Rødby fertigen. Rostock hatte sich um den Auftrag beworben, scheiterte aber knapp.

Kopenhagen/Kiel. Die dänische Regierung hat Schleswig-Holstein erneut vor den Kopf gestoßen. Verkehrsminister Hans Christian Schmidt kündigte gestern überraschend an, dass der Fehmarnbelt-Tunnel nicht in mehreren Produktionshäfen vorgefertigt werden soll, sondern ausschließlich in Rødbyhavn auf der dänischen Insel Lolland. Um einen Teilauftrag beworben hatten sich auch mehrere deutsche Städte, darunter Lübeck. Offene Kritik am Königreich gab es gestern im Kieler Landtag. Alle sechs Fraktionen forderten die Regierung in Kopenhagen auf, die Wiedereinführung der Grenzkontrollen zu überdenken.

Die Entscheidung für Rødbyhavn sei unter Umwelt- wie Sicherheitsaspekten "genau das Richtige", sagte Schmidt auf der Insel Lolland. Seinen Kurswechsel begründete der Minister mit neuen Vorgaben aus Brüssel. Die EU verpflichte den Bauherrn Dänemark, der die 5,1 Milliarden Euro teure Beltquerung bezahlt, sich bereits im Genehmigungsverfahren auf einen Produktionshafen festzulegen. Schmidt hatte noch vor wenigen Tagen erklärt, dass die Standortentscheidung erst später im Zuge der Auftragsvergabe falle und sich auch deutsche Häfen Hoffnungen auf eine Beteiligung am Jahrhundertbauwerk machen dürften. Der rund 18 Kilometer lange Absenktunnel besteht aus insgesamt 89 schwimmfähigen Elementen, jedes bis zu 200 Meter lang und bis zu 70 000 Tonnen schwer. Die drei schleswig-holsteinischen Häfen Rendsburg, Großenbrode und Lübeck waren dem Vernehmen nach bereits in der Zwischenrunde der insgesamt 19 Bewerber ausgeschieden, beispielsweise weil das Wasser nicht tief genug ist. In die Endrunde der letzten fünf schafften es demnach Rostock, ein Hafen aus Polen und drei aus Dänemark. Insider erklären die Entscheidung für Rødbyhavn, den Fährhafen nach Fehmarn, auch damit, dass der Windanlagenhersteller Vestas seine große Fabrik auf Lolland in diesem Jahr schloss, der Tunnelbau der strukturschwachen Region 2000 neue Jobs bringt und spätestens im Herbst im Königreich gewählt wird.

"Die uns versprochenen Arbeitsplätze bleiben aus", sagte der Grünen-Landtagsabgeordnete aus Lübeck, Thorsten Fürter. "Das wird die Querung in der Region nicht beliebter machen." Kiels Verkehrsminister Jost de Jager (CDU) und Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) bedauerten die Standortentscheidung, zeigten sich aber zuversichtlich, dass für Firmen aus der Region bis zur Tunneleröffnung 2020 noch lukrative Aufträge abfallen.

Im Landtag musste sich die liberal-konservative Minderheitsregierung in Kopenhagen derweil harsche Kritik gefallen lassen, weil sie auf Druck der rechtspopulistischen Volkspartei an der dänischen-deutschen Grenze noch vor dem Sommer feste Zollkontrollen einrichten will. An größeren Übergängen seien Grenzstationen mit einem sechsspurigen Kontrollbereich, mit Videoüberwachung, Kennzeichen- und Röntgenscannern geplant, klagte SSW-Fraktionschefin Anke Spoorendonk. "Es wird auch die Dänemark-Urlauber behindern." Sie müssten zu Stoßzeiten mit einem Rückstau rechnen.

Politiker von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linkspartei machten deutlich, dass die Pläne Dänemarks nicht zu einem Europa ohne Grenzen passen und neue Barrieren zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein schaffen könnten. In der Debatte wurde aber auch deutlich, dass der Vorstoß der Volkspartei gegen eine vermeintlich zunehmende Ausländerkriminalität im Königreich auf fruchtbaren Boden fällt. Eine Mehrheit der Bevölkerung befürwortet die Grenzkontrollen und die Opposition hält sich bedeckt, obwohl die EU Dänemark ein Verfahren wegen Verletzung des Schengen-Vertrages angedroht hat. Die Kieler Beschwerde wurde in Kopenhagen schnell abgehakt. Die Kritik beruhe auf Missverständnissen, meinte ein Regierungsmitglied. Ein anderes fand es interessant, was der Landtag in Kiel so beschließt. "Es macht aber keinen Eindruck."