Als erstes deutsches Obergericht bestätigten Celle die Sicherungsverwahrung von Schwerkrimiellen trotz des Urteils des EU-Gerichts.

Celle. Rund 200 Schwerkriminelle sitzen derzeit in Deutschland ein, weil Gerichte nachträglich wegen anhaltender Gefährlichkeit der Männer lebenslange Sicherungsverwahrung angeordnet haben. Und dabei wird es absehbar auch bleiben, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) diese Praxis in seinem seit zwei Wochen rechtskräftigen Urteil verworfen hat. Die Begründung lautete, die Rückwirkung des 1998 eingeführten Gesetzes verstoße gegen die Menschenrechtskonvention. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat als erstes deutsches Obergericht gestern dennoch gegen einen 59-jährigen Sicherungsverwahrten entschieden, der sich auf das Urteil des EGMR berufen hatte. Seine nach altem Recht 1987 erfolgte Verurteilung inklusive zehn Jahre befristete Verwahrung wäre abgelaufen.

Von dem Mann aber, so stellte es der 2. Strafsenat fest, gehe unverändert die Gefahr aus, dass er Straftaten begehe und Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden. In solchen Fällen, so argumentierte das Gericht, könne auch das EGMR-Urteil nicht zu "einer automatischen Freilassung verpflichten". Das OLG stellte sich damit hinter eine Entscheidung des Landgerichts Lüneburg aus dem März. Auf der Basis eines psychiatrischen Gutachtens hatte das Landgericht wegen anhaltender Gefährlichkeit des Mannes die Verlängerung der Sicherungsverwahrung beschlossen.

Schließen sich andere Obergerichte dem Urteilstenor an, läuft es auf eine Einzelfallprüfung bei jedem der rund 200 betroffenen Gefangenen hinaus. Die Entscheidung des OLG ist rechtskräftig, dem Mann bleibt nur noch eine Verfassungsbeschwerde.