Hamburg. Der Andrang war so enorm, dass sogar die Galerie geöffnet werden musste. Auch Akademie-Direktor Stephan Loos war überrascht von dem Interesse an der ersten großen Podiumsveranstaltung zum Thema Missbrauch am Mittwoch in der Katholischen Akademie in Hamburg. Man habe in der Kirche zwar viel Erfahrung bei der Begleitung von Leid durch Täter von außen, sagte er, aber wenig Erfahrung, "wenn die Täter von innen kommen".

Diese Unsicherheit zog sich durch den ganzen Abend. "Es ist nicht leicht, hier oben zu sitzen", gab Regens Thomas Brenner zu, der als Leiter der Priesterausbildung im Erzbistum einen schweren Stand auf dem Podium hatte. Inzwischen sei auch in Hamburg eine "psychologische Eignungsdiagnostik" in das Aufnahmeverfahren und die Ausbildung junger Priester implementiert. Aber auch seine Seminaristen seien von der Situation tief verunsichert. "Halten Sie bloß diese Kinderschänder von unseren Pfarreien fern!", habe er kürzlich nach einem Gottesdienst hören müssen. Für den "Zeit"-Journalisten Patrick Schwarz steht fest: "Durch diesen Skandal ist die zentrale Legitimation der Männerkirche getroffen worden."

Die aber müsse jetzt nicht "Bekehrung" und "Versöhnung" und andere "klerikale Phrasen" von sich geben, sagte der Psychotherapeut Dieter Funke. Die Missbrauchsopfer vermissten, dass die Kirche "in sich geht, sich mit den eigenen Seelen, Leben und Triebstrukturen auseinandersetzt".

Die Moraltheologin Hille Haker sieht die "strikte Koppelung von Enthaltsamkeit und Leitungsfunktionen in der Kirche" infrage gestellt. Sowohl Haker wie auch Schwarz halten das Priesteramt und eine glaubwürdige Leitung heute für die zentralen Zukunftsthemen der Kirche. Beide forderten, die Kirche müsse den Missbrauchsopfern jetzt von sich aus konkrete Angebote zur Entschädigung machen. "Und nicht erst, wenn ein Gerichtsurteil das verlangt", sagte Haker.