Das Oberlandesgericht Rostock verurteilt Klinik, neun befruchtete Eizellen an die Frau eines Toten herauszugeben

Rostock. Sie hat zwei Jahre für ihr Recht gekämpft. Für das Recht, ein Kind ihres verstorbenen Mannes austragen zu dürfen. Am Freitag hat Ines S. recht bekommen: Das Oberlandesgericht Rostock verurteilte das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg, neun konservierte Eizellen herauszugeben, die vor dem Tod ihres Mannes mit dessen Sperma eingefroren wurden.

Die junge Frau war überglücklich. "Im Gerichtssaal konnte ich kaum die Tränen zurückhalten. Als meine Schwester kam, gab es kein Halten mehr", sagte sie dem Abendblatt.

Sechs Jahre lang hatten Sandro S., gest. 31, und Ines S. vergeblich versucht, ein Kind zu bekommen. 2007 entschlossen sie sich zu einer künstlichen Befruchtung. Zwölf Eizellen im sogenannten Vorkernstadium ließen sie einfrieren. Nach einem gescheiterten ersten Versuch blieben neun Eizellen mit dem genetischen Material ihres Mannes übrig. Vier Monate später starb Sandro S. jedoch bei einem Motorradunfall. Ines S. wollte sich darauf die übrigen Eizellen in Polen einpflanzen lassen - doch die Klinik verweigerte die Herausgabe der Zellen.

Nach Auffassung der Klinik war der Befruchtungsvorgang durch das Einfrieren unterbrochen worden. Im Vorkernstadium entstehe kein Embryo im biologischen Sinne. Eine Befruchtung der Eizellen wäre erst beim Auftauen endgültig vollzogen worden. Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbiete jedoch eine Befruchtung nach dem Tod des Partners. Um sich nicht dem Risiko einer Strafverfolgung auszusetzen, beschlossen die Ärzte, die Präparate unter Verschluss zu halten.

Die junge Witwe klagte und verlor in erster Instanz vor dem Landgericht Neubrandenburg. Die Richter vertraten die Auffassung, die Eizelle könne in diesem Stadium als noch nicht befruchtet gelten. Ganz anders argumentierten die Rostocker Richter. Die Eizellen seien bereits mit Samenzellen "imprägniert", strafbar sei nur, "wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod künstlich zu befruchten". Auch wenn sich noch kein Embryo entwickelt habe - die Spermien seien schon vor seinem Tod in der Zelle eingeschlossen, männliches und weibliches Erbgut zum Zeitpunkt des Einfrierens "eine innige Verbindung" eingegangen. Da die Befruchtung noch zu Lebzeiten des Mannes erfolgte, sei eine weitere Verwendung der Eizellen nicht rechtswidrig. Nach Einschätzung der Richter könnte das Urteil nun auch den Gesetzgeber zur Konkretisierung des Embryonenschutzgesetzes zwingen.

Die Definition, wann eine künstliche Befruchtung abgeschlossen ist, sei weiter strittig. "Es mangelt an einem Fortpflanzungsmedizingesetz", kritisierte Ulrike Riedel, Mitglied des Deutschen Ethikrates. Die Herausgabe der Eizellen sei ethisch vertretbar. "Sie hatten sich, als der Mann noch lebte, entschlossen, ein Kind auf diesem Weg zu bekommen." Auch andere Väter stürben vor der Geburt ihrer Kinder. Nicht zuletzt sei auch die Entnahme von Sperma bei Todgeweihten zulässig. "Dann müsste man diese Technik auch infrage stellen." Das beklagte Klinikum verzichtet auf eine Revision. "Wir haben nun Rechtssicherheit", sagte Kliniksprecherin Anett Seidel.

Im polnischen Stettin will Ines S. die Eizellen vor der Einpflanzung erst einlagern lassen. Zunächst aber werde sie sich von den Strapazen der vergangenen Wochen erholen. "Nur ein erholter Körper ist bereit für eine Schwangerschaft."