Hannover (dpa/lni). Die Zeit des Abiturs - viele Feiern, aber auch enormer Stress. Verzögerungen nach einem Schul-Einbruch haben den Stress der Schüler in Niedersachsen noch einmal erhöht. Jetzt handelt das Ministerium.

Trotz der Verzögerungen beim Abitur in Niedersachsen nach einem Einbruch in einer Schule sollen alle Schülerinnen und Schüler gleiche Chancen erhalten. Das Abitur sei ohnehin extrem belastend - die zusätzliche Belastung hätte „ich den Prüflingen gerne erspart“, sagte Kultusministerin Julia Willie Hamburg am Dienstag. Die rund 8000 betroffenen Schülerinnen und Schüler konnten entscheiden, ob sie die Prüfung im Fach Politik-Wirtschaft zeitversetzt beginnen oder einen Nachschreibtermin nutzen. Unklar sei, wie viele Prüflinge keine Wahlmöglichkeit hatten - das Ministerium gehe von einer niedrigen zweistelligen Zahl aus, sagte die Grünen-Politikerin. Sie betonte, niemand solle Vor- oder Nachteile haben.

Am vergangenen Donnerstag waren nach dem Einbruch an einer Schule in Goslar die schriftlichen Abiturprüfungen im Fach Politik-Wirtschaft landesweit unterbrochen worden. Das Ministerium forderte betroffene Schulen auf, die Prüfungsaufgaben nicht auszuteilen oder einzusammeln, weil die Prüflinge die Aufgaben theoretisch vorab hätten einsehen können. Neue Aufgaben, die ursprünglich für einen Nachholtermin gedacht waren, wurden hochgeladen. Dabei kam es zu Verzögerungen, die Prüflinge mussten etwa eineinhalb Stunden auf ihre Aufgaben warten. An den Abläufen gab es Kritik, auch wurde eine bessere Bewertung gefordert.

Die Ministerin kündigte nun an, diejenigen Schülerinnen und Schüler, die am Tag der Prüfung keine Wahlmöglichkeit hatten, ihre Prüfung auf den Nachschreibtermin am 8. Mai zu verschieben, sollten die Klausur wiederholen können. Dann werde die Note der Wiederholungsklausur gewertet. Abiturienten, die die verworfene Klausur im Fach Politik-Wirtschaft geschrieben hatten, müssten die Prüfung in jedem Fall am 8. Mai wiederholen. Das sei an einer Schule der Fall gewesen. Außerdem solle es einen zusätzlichen Nachschreibtermin am 5. Juni geben, ebenfalls mit zentralen Aufgaben.

„Wir werden lernen aus dem Verfahren“, betonte Hamburg. So sei ein „Alarmtag“ geplant, um an den Schulen den Umgang mit unvorhergesehenen Situationen zu üben. Zusätzlich sollten Nachschreibeklausuren künftig schon vorher präventiv verschlüsselt werden. So könnten Schulen im Ernstfall Ersatzaufgaben schneller erhalten. „Damit tragen wir gleichzeitig Sorge, dass sich derartige Fälle in der Zukunft nicht wiederholen“, sagte sie. Prüfungsaufgaben müssten aus Sicherheitsgründen verschlüsselt und könnten „nicht einfach per Mail verschickt“ werden.

Dennoch sollten die Schulen in besonderen Lagen Ersatzaufgaben schneller erhalten - die hohen Sicherheitsstandards beim schriftlichen Abitur müssten aber eingehalten werden. Das Sicherheits- und Übermittlungsverfahren gelte seit 2006, bisher habe es in Niedersachsen keinen Fall von Hacking gegeben, sagte Hamburg. Es werde aber darüber nachgedacht, weitere Kommunikationskanäle zu nutzen.

Auch am ursprünglichen Prüfungstag sei handlungsleitend gewesen, „was das Beste für die Prüflinge ist“. Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler habe sich dafür entschieden, die Prüfung am vergangenen Donnerstag zu schreiben. Nur etwa ein Fünftel habe sich dagegen entschieden. Der überwiegende Teil der Schulen habe besonnen reagiert und die Herausforderungen gut gemeistert, der Notfallplan habe in den meisten Fällen funktioniert, betonte Hamburg. „Es war für alle eine Drucksituation.“

Bei dem Einbruch im Gymnasium in Goslar wurde früheren Angaben zufolge ein Tresor aufgebrochen, in dem unter anderem die Abiprüfungen für Politik-Wirtschaft lagen. Die Aufgabenzettel lagen demnach nach dem Einbruch verteilt auf dem Schulhof. Beim Zentralabitur werden bei den Prüfungen allen Schülerinnen und Schülern in einem Bundesland die gleichen Aufgaben vorgelegt.

Das Ministerium forderte die betroffenen Schulen am frühen Donnerstagmorgen auf, die geplanten Prüfungsaufgaben nicht auszuteilen oder wieder einzusammeln. Gegen 9.30 Uhr wurden neue Aufgaben für die Schulen hochgeladen. Der Landesschülerrat kritisierte, dass die Schülerinnen und Schüler warten mussten, bis sie ihre Klausuren schreiben konnten. Einige Schulen hätten bereits angefangen, das Abitur zu schreiben, um dann schon bearbeitete Aufgaben doch wieder einzusammeln. Das habe zu enormem Druck und Stress geführt.

Zu einer Petition wegen einer besseren Bewertung sagte Hamburg, es sei „naheliegend“, dass Schülerinnen und Schüler sich wünschten, besser bewertet zu werden. Allerdings sei es nicht möglich, eine bessere Note zu geben - das gehe nur, wenn die Aufgaben zu schwer oder der Umfang zu groß gewesen wären.

Aus Sicht des Landesschülerrats Niedersachsen müsse sich das Kultusministerium weiterhin Gedanken über einen Nachteilsausgleich machen und Maßnahmen parat haben, wenn sich ein schlechterer Notenschnitt abzeichne, hieß es in einer Mitteilung. Es habe sich gezeigt, dass es kein eingeübtes Verfahren für eine Situation gebe, in der kurzfristig neue Prüfungsaufgaben zur Verfügung gestellt werden müssen. Das sei nicht hinnehmbar. „Eine solche Situation hätte erwartet und erprobt werden müssen“, forderte die Vertretung der Schülerinnen und Schüler.

Nach Ansicht des Verbands Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) zeigt der Vorfall, dass es weiterhin bei der Digitalisierung der Schulen in Niedersachsen, aber auch deutschlandweit hake. Er zeige aber auch, dass das Lehrpersonal, aber auch das Assistenz- und Unterstützerpersonal unter einer enormen Belastung stehen. Es herrsche nicht nur Lehrkräftemangel, auch das Unterstützerpersonal sei zu knapp bemessen oder fehle ganz. Die Suche nach einem Schuldigen sei indes müßig. „Wo Menschen ad hoc unter Zeitdruck handeln müssen, kann es auch mal zu weniger glücklichen Abläufen kommen“, hieß es in einer Stellungnahme.