Bramsche (dpa/lni). Archäologen des Varusschlacht-Museums bargen vor fünf Jahren einen kompletten römischen Schienenpanzer. Eine Ausstellung zeigt den Fund und die Arbeit der Wissenschaftler. Deutlich wird: Es gibt mehr als nur eine Deutungsmöglichkeit.

Es war ein Sensationsfund, den Wissenschaftler des Varusschlacht-Museums in Kalkriese bei Osnabrück vor fünf Jahren gemacht haben: Sie fanden einen römischen Schienenpanzer; also einen Panzer aus Metallschienen, der den Oberkörper eines Soldaten schützt. Der Fund war das bislang älteste und weltweit einzig erhaltene Objekt seiner Art. Nun rückt das Museum dieses einzigartige Zeugnis antiker Militärkleidung in den Mittelpunkt einer Ausstellung. „Cold Case - Tod eines Legionärs“ lautet der Titel der Sonderschau, die am Freitagabend eröffnet wird und von Samstag an bis November im Museum zu sehen ist.

„Die ganze Ausstellung ist als Werkstatt zu verstehen, sie ist nicht abgeschlossen“, sagte Museumschef Stefan Burmeister am Donnerstag bei der Präsentation der neuen Schau. Die Besucher sollen nicht nur einen Einblick in die Arbeit der Archäologen bekommen, sondern auch einen Eindruck davon, wie in dieser Wissenschaft Funde interpretiert und gedeutet werden können. „Es ist letztlich ein Indizienprozess“, sagt Burmeister. Und am Ende sollen auch die Besucherinnen und Besucher sich eine eigene Meinung bilden.

Mit dem Titel „Cold Case“ spielen die Ausstellungsmacherinnen und -Macher an Fernseh-Kriminalserien an. Die Besucher werden vom Auffinden der Spuren über die Aufarbeitung der Funde bis zu den Versuchen, Deutungen zu finden, durch das historische Terrain geführt.

Neben dem Schienenpanzer fanden die Archäologen auch eine Halsgeige - eine grausam anmutende Fessel, mit dem sowohl der Hals als auch die Handgelenke der gefangen genommenen Menschen fixiert wurden. Auch die Überreste eines Maultiers und eine mehr als drei Meter lange eiserne Maultierkette fand sich in der Nähe des Schienenpanzers, ebenso ein Wurfspeer (Pilum) und eine Dolchscheide.

In den vergangenen Jahren sei in Kalkriese gut dokumentiert worden, wie das dortige antike Schlachtfeld geplündert wurde, sagte Burmeister. Die Hypothese: Die siegreichen Germanen nahmen von den besiegten Truppen des römischen Feldherrn Varus alles, was sie kriegen konnten. Metall, Schmuck, Ausrüstung - alles war damals wertvoll für die Sieger.

Nun fanden die Wissenschaftler aber einen vollständig erhaltenen Schienenpanzer - warum wurde dieser nicht geplündert? Die für ihn wahrscheinlichste Interpretation sei, dass es sich hier um Spuren eine Triumphrituals der siegreichen Germanen an einem gefangen genommenen römischen Soldaten handelte, sagte Burmeister. Eine andere These lautet: Die Gegenstände lagen zufällig dort. Auch sie wird mit anderen archäologischen Beispielen untermauert.

Es gehe in der Ausstellung aber auch um eine kritische Selbstreflexon der wissenschaftlichen Arbeit, sagte Martin Berghane. Der junge Wissenschaftler ist Volontär im Museum und hat die Ausstellung kuratiert. Wie blicken wir auf Gewalt und Gewaltdarstellungen? Neigen Menschen dazu, grausame Erklärungsansätze für eher plausibel zu halten?

Letztlich handele es sich um den gewaltsamen Tod eines Menschen. Dafür seien die Funde Indizien, sagte Berghane. Das vergangene Leid der Opfer dürfe nicht zum faszinierenden Unterhaltungsthema werden.

Drei künstlerische Kurzfilme von Studierenden der Uni Osnabrück laden zur kritischen Reflexion über unseren Blick auf Gewalt ein. An fünf Erklärkiosken kommen Experten zu Wort. Unter anderem äußern sich eine Krimiautorin, ein Militärexperte oder ein Psychoanalytiker zu diesem „Cold Case“.

In der Ausstellung werden die Funde aus Kalkriese mit anderen archäologischen Leichenfunden in Europa und Deutschland in Zusammenhang gesetzt. Das Museum zeigt daher Objekte aus archäologischen Sammlungen in Athen, Stockholm, aus dem französischen Ribemont-sur-Ancre und aus vielen Museen in Deutschland.