Hamburg/Bremen/Kiel. Sie sollen in sozialen Medien zu Spenden für inhaftierte IS-Anhängerinnen in Syrien aufgerufen haben, um deren Versorgung zu verbessern oder eine Flucht zu finanzieren. Die Sicherheitsbehörden folgten über Jahre ihren Spuren und schlugen nun zu.

Bei einer bundesweiten Razzia gegen mutmaßliche Unterstützern der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sind am Mittwoch sieben Verdächtige festgenommen worden. Die vier Frauen und drei Männer sollen Spendengelder für den IS gesammelt haben. Das Geld diente Ermittlungen der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zufolge der Verbesserung der Versorgungslage von IS-Anhängern, die in den syrischen Lagern Al-Hol und Roj festgehalten werden, sowie für eine Flucht oder Schleusung aus den Lagern. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte nach der Aktion: „Wir sind sehr wachsam und setzen unsere harte Gangart gegen Islamisten fort.“

Durchsuchungen gab es in fast einem Dutzend Bundesländern, darunter in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In Bremen sei auch eine Frau festgenommen worden. Die übrigen Festnahmen erfolgten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. An dem Einsatz seien bundesweit mehr als 1000 Kräfte unter anderem des Bundeskriminalamts und der Landeskriminalämter der betroffenen Länder beteiligt gewesen. Insgesamt wurden mehr als 100 Objekte durchsucht.

Die oberste Anklagebehörde Deutschlands wirft den Beschuldigten - überwiegend deutscher, aber auch kosovarischer, marokkanischer und türkischer Staatsangehörigkeit - in erster Linie Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland vor. Weiteren Beschuldigten werfen die Ermittler Geldzahlungen an das Finanzierungsnetzwerk zugunsten des IS vor. Insgesamt gehe es um eine Summe von mindestens 65 000 Euro.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hamburg wurden am Mittwochmorgen Durchsuchungsbeschlüsse des Hanseatischen Oberlandesgerichts zur Sicherstellung von Beweismitteln vollstreckt. Sie betrafen 22 Verfahren, davon 13 in Hamburg, 7 in Bremen und 2 in Kiel. Insgesamt werde gegen 29 Beschuldigte ermittelt. Sie sollen Spenden in Höhe von rund 16 000 Euro an Mittelsleute überwiesen haben, die das Geld dann an IS-Mitglieder im Raum Idlib in Syrien weitergeleitet haben sollen.

In Niedersachsen gebe es sechs Beschuldigte, von dreien seien die Wohnungen durchsucht worden, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Celle. Die Wohnungen liegen in Sarstedt (Landkreis Hildesheim), Winsen/Luhe (Landkreises Harburg) sowie Herzberg am Harz (Landkreis Göttingen). Der inkriminierte Spendenbetrag sei „knapp unter vierstellig“ und damit im „unteren Bereich“. Es seien Datenträger sichergestellt worden, die jetzt ausgewertet würden.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Hamburg haben die Beschuldigten durch entsprechende Spendenaufrufe in sozialen Netzwerken gewusst, dass das Geld dazu bestimmt gewesen sei, IS-Mitglieder aus den Camps und Haftanstalten in den kurdisch kontrollierten Gebieten Nordsyriens freizukaufen oder finanziell zu unterstützen. „Auf diese Weise sollen die Beschuldigten dazu beigetragen haben, die Strukturen des „IS“ und dessen Fortbestand zu sichern“, sagte Oechtering.

Gegen drei der Hauptverdächtigen wurde noch am Mittwoch Untersuchungshaft angeordnet. Dies betrifft nach Angaben der Bundesanwaltschaft eine Frau aus Baden-Württemberg sowie zwei Männer aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Bei einer weiteren Frau aus Rheinland-Pfalz sei die Untersuchungshaft unter Auflagen nicht in Vollzug gesetzt worden, der Haftbefehl bleibe jedoch bestehen. Die in Bremen festgenommene Frau sowie zwei weitere in Nordrhein-Westfalen verhaftete Menschen sollen am Donnerstag dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.

Seit 2020 hätten zwei Anhängerinnen des IS von Syrien aus über den Online-Dienst Telegram für Geldzahlungen geworben, teilte die Bundesanwaltschaft mit. „In das Netzwerk eingebunden waren Finanzmittler, die Gelder sammelten und Konten oder digitale Spendenkassen zur Verfügung stellten.“ Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur laufen die Spendenkampagnen in sozialen Medien mit Titeln wie „Deine Schwester im Camp“ schon seit einigen Jahren. Dabei wird unter anderem auf die prekäre Situation der IS-Frauen und ihrer im Sinne der Terrorideologie erzogenen Kinder hingewiesen.

Immer wieder gab es Berichte, wonach Frauen, Kinder und Jugendliche, die sich dem IS bis heute zugehörig fühlen, gegen Zahlung hoher Geldbeträge aus dem Lager geschmuggelt wurden. Von den mehreren Dutzend IS-Frauen, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland zurückgekehrt sind, wurden etliche nach ihrer Ankunft inhaftiert und vor Gericht gestellt. Ein Teil von ihnen kam über Rückholaktionen mit ihren Kindern aus Syrien nach Deutschland, andere wurden abgeschoben oder kamen auf eigene Faust zurück.

Der IS kontrollierte über Jahre große Gebiete im Bürgerkriegsland Syrien und im benachbarten Irak. Im Juni 2014 rief er ein sogenanntes Kalifat aus und reklamierte seinen Führungsanspruch im globalen Dschihad. Die Hochphase endete laut dem Verfassungsschutz 2016. Mittlerweile haben die Extremisten ihr Herrschaftsgebiet wieder verloren. IS-Zellen sind aber in beiden Ländern weiter aktiv.

Seit Anfang Januar 2014 können gemäß Strafgesetzbuch Taten von Mitgliedern oder Unterstützern des IS, die deutsche Staatsbürger sind, sich in Deutschland aufhalten oder hier tätig werden, strafrechtlich verfolgt werden. Das Innenministerium erließ ferner am 12. September 2014 ein Betätigungsverbot für den IS in Deutschland. Dieses umfasst unter anderem jegliche Beteiligung in sozialen Medien und Demonstrationen zugunsten des IS und jede Art von Unterstützungshandlung wie das Einwerben von Geld und Material sowie das Anwerben von Kämpfern. Diese Handlungen sind seither strafbar.