Hannover. Wer hilft, wenn es brennt oder Unfallopfer in Autos eingeklemmt sind? Die Feuerwehr. Doch auch wie andere Einsatzkräfte werden sie oft in ihrer Arbeit behindert - und Strafen für die Täter scheinen selten.

Wenn freiwillige Feuerwehrleute in Niedersachsen zu einem Einsatz gerufen werden, müssen sie damit rechnen, bedroht, beleidigt oder sogar angegriffen zu werden. Jede dritte Einsatzkraft habe solche Erfahrungen gemacht, berichtete die Feuerwehr-Unfallkasse Niedersachsen am Dienstag unter Berufung auf eine Online-Umfrage. Daran nahmen den Angaben nach über 1300 Feuerwehrmitglieder teil. Mehr als Hälfte der Teilnehmenden habe erlebt, dass Menschen im Brandfall nicht kooperieren, sich verweigern oder gar widersetzen.

„Wir reden hier nicht über Einzelexzesse in der Neujahrsnacht“, sagte Thomas Wittschurky, Geschäftsführer der Unfallkasse. „Wenn jede dritte Einsatzkraft in unseren Feuerwehren über erlebte Gewalt im Dienst berichtet, dann haben wir ein massives Alltagsproblem.“ Mit den Trägern der Feuerwehren und dem Innenministerium müsse über wirksame Vorbeugung gesprochen werden.

Angriffe gebe es gegen die „gesamte Blaulichtfamilie“, sagte der Präsident des Landesfeuerwehrverbandes, Olaf Kapke. Ähnlich äußerte sich Innenministerin Daniela Behrens (SPD). „Angriffe auf Rettungs- und Einsatzkräfte, Polizistinnen und Polizisten sowie Feuerwehrleute sind völlig inakzeptabel“, sagte sie. „Wer Einsatzkräfte daran hindert, ihre Pflicht zu tun, der greift uns alle an. Wir werden alles dafür tun, um die Menschen, die sich haupt- oder ehrenamtlich für unsere Sicherheit engagieren, zu schützen.“ In Niedersachsen arbeiten etwa 130.000 Menschen ehrenamtlich in den Freiwilligen Feuerwehren mit, dazu kommen 2700 hauptberufliche Feuerwehrleute.

Gewalt und Belästigung wurden in der Umfrage so definiert, wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sie sieht - als inakzeptable Verhaltensweisen und Praktiken, die auf körperlichen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden abzielen. Mit Abstand am häufigsten erlebt worden seien Beschimpfungen und Beleidigungen. Auch berichteten viele Feuerwehrleute davon, sie seien mit Fahrzeugen angefahren worden oder es sei ihnen angedroht worden. Jeder zehnte gab an, schon einmal mit Feuerwerkskörpern beworfen worden zu sein.

Dabei waren die Täter und Täterinnen meist Einzelpersonen. Anders als zu erwarten spielte Alkoholeinfluss bei den Gewalterlebnissen praktisch keine Rolle, teilte die Unfallkasse mit. Den Angaben nach entsprachen die Umfrageteilnehmer dem Männer- und Frauenanteil und auch der Altersstruktur in den Feuerwehren. Die Umfrage sei wissenschaftlich begleitet worden.

Ministerin Behrens sagte, wer Einsatzkräfte angreife, müsse „die volle Härte des Rechtsstaates“ zu spüren bekommen. Doch das geschieht nach Einschätzung von Feuerwehrpräsident Kapke oft nicht. „Unbefriedigend ist aus meiner Sicht immer noch, dass nicht alle Taten juristisch zu Ende verfolgt werden - selbst wenn Täterinnen und Täter bekannt sind“, sagte er. Hier bestehe Handlungsbedarf.

In der Neujahrsnacht 2023 waren Polizei und Feuerwehr in Berlin bei Einsätzen massiv behindert und angegriffen worden. Ähnliche Vorfälle gab es auch in anderen Städten.