Hannover. Weil sie allein in einem abgelegenen Haus am Würmsee lebte, soll ein Mann aus dem Kreis Warburg eine 56-Jährige als Mordopfer ausgesucht haben. Die Leiche der Frau wurde bisher nicht gefunden.

Der mutmaßliche Mörder einer Frau aus Burgwedel ist nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Hannover wegen seines Hangs zu schweren Straftaten gefährlich für die Allgemeinheit. Der Angeklagte beobachte seit mehr als 20 Jahren Frauen in alltäglichen Lebenssituationen. Er werde erregt von Überfall-, Betäubungs- und Gewaltfantasien, sagte die Staatsanwältin am Freitag im Landgericht Hannover.

Dem 54-jährigen Deutschen wird vorgeworfen, im September 2022 die alleinlebende 56-Jährige im Schlafzimmer ihres Holzhauses am Würmsee erstochen zu haben. Die Leiche wurde bisher nicht gefunden. Im Auto der Frau soll er die Tote an einen unbekannten Ort gebracht haben.

Der Angeklagte hatte die Frau aus der Region Hannover der Staatsanwältin zufolge zuvor nicht gekannt. Er habe sie nur aufgrund ihrer Wohnsituation in dem abgelegenen Haus als Opfer ausgesucht und vor der tödlichen Attacke mehrere Tage ausgespäht. Sollte das Gericht im Fall einer Verurteilung dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf sogenannte Sicherungsverwahrung folgen, bliebe der Mann auch nach dem Ende seiner Haftstrafe im Gefängnis, um die Allgemeinheit zu schützen.

Der Angeklagte schwieg in der öffentlichen Verhandlung und bestätigte die vom Vorsitzenden Richter Martin Grote verlesenen Angaben zu seiner Person lediglich durch Nicken. Demnach wurde er in Leiberg geboren und ist verheiratet. Zu den Anklagevorwürfen werde sein Mandant keine Angaben machen, sagte Verteidiger Dimitrios Kotios.

Die Staatsanwaltschaft legt ihm heimtückischen Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs zur Last, wobei seine Schuld besonders schwer wiege. Darüber hinaus wird ihm der Überfall auf eine 79-jährige Spaziergängerin in Warburg vorgeworfen, wenige Tage vor dem mutmaßlichen Mord. Die Seniorin erlitt Verletzungen.

Ursprünglich hatte bereits am Dienstag die Anklage verlesen werden sollen. Doch der Prozess begann ohne den Angeklagten. Nach Angaben der Justizvollzugsanstalt Hannover gab es am Dienstagmorgen Hinweise auf einen Suizidversuch des 54-Jährigen.

Der Angeklagte, der in Handschellen in den Saal geführt wurde, unterhielt sich vor dem Prozessauftakt leise mit seinem Verteidiger. Einmal ließ er seinen Blick über die gut gefüllten Zuhörerplätze schweifen. Während der Verlesung der Anklageschrift wirkte er äußerlich ungerührt.

Nach dem Ende der 20-minütigen Verhandlung sagte Verteidiger Kotios, er sehe in den Akten keinerlei Anhaltspunkte, dass es sich bei seinem Mandanten um einen gefährlichen Hangtäter handeln könnte.

Laut Anklage soll der 54-Jährige spätabends am 10. September über eine Lücke in der Umfriedung in die unverschlossene Laube der Frau eingedrungen sein. Sie hatte dort alleine mit ihrem kleinen Hund gelebt, eine Freundin, mit der sie verabredet war, meldete sie am 11. September als vermisst.

Den Ermittlern zufolge trug der mit einem Messer bewaffnete Mann bei dem Überfall eine selbstgebastelte Sturmhaube, die er am Tatort zurückließ. In der Anklage werden zahlreiche Spuren genannt: So soll der mutmaßliche Mörder das Handy seines Opfers in eine Regentonne geworfen haben und im Garten ein blutbehaftetes Kissen verloren haben. Die Lesebrille der 56-Jährigen fand sich später in einem Maisfeld.

Der mutmaßliche Mörder war im Oktober nach einer internationalen Fahndung in Schweden gefasst worden. Für den Indizienprozess sind zwölf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil könnte nach dieser Planung erst am 14. August 2023 gesprochen werden. Der Sohn der Getöteten und die überfallene Seniorin lassen sich in dem Prozess von Anwälten als Nebenkläger vertreten, waren aber beim Auftakt nicht persönlich im Gerichtssaal.