Hannover (dpa/lni). In der Corona-Zeit blieben die Menschen meist daheim - Gelegenheit für Diebstähle oder Gewalt gab es kaum. Doch nach und nach fielen die Einschränkungen. Eine Folge: 2022 registrierte die niedersächsische Polizei mehr Straftaten. Innenministerin Behrens macht eines klar.

Bei der Zahl der Straftaten in Niedersachsen hat es lange nur eine Richtung gegeben: nach unten. Als nach und nach aber die Corona-Maßnahmen entfielen, stieg diese Zahl 2022 erstmals seit Jahren. Das Kriminalitätsaufkommen nehme zu - wie auch das gesellschaftliche Leben wieder Fahrt aufnehme, sagte Innenministerin Daniela Behrens am Montag in Hannover. „Das haben wir auch erwartet.“ Dennoch betonte die SPD-Politikerin: „Insgesamt kann man sagen: Wir leben in einem sicheren Land.“ Landesweit wurden im vergangenen Jahr 523 966 Straftaten registriert - knapp 11 Prozent mehr als 2021 und 3,44 Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019.

Besonders stark nahmen die Fallzahlen in Zusammenhang mit Körperverletzungen, Bedrohung, Diebstählen sowie bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen zu. Auch die Gewalt gegen Einsatzkräfte wie Polizeibeamtinnen und -beamte sowie Rettungsdienste und Feuerwehr stieg erneut.

Patrick Seegers, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, nannte dies besorgniserregend: „Hier braucht es eine gesamtgesellschaftliche moralische Unterstützung der betroffenen Einsatzkräfte und eine klare Ächtung dieser Tätergruppen mit den erforderlichen Verurteilungen durch die Justiz“, sagte er - und forderte eine „harte und unmissverständliche Bestrafung“. Nach Einschätzung des Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Kevin Komolka, leisten Polizei sowie Rettungsdienste und Feuerwehr hervorragende Arbeit, würden aber „gleichzeitig so häufig und intensiv attackiert wie nie zuvor“.

Sexuelle Gewalt gegen Kinder: Die Polizei registrierte 1815 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch, 47 Taten mehr als 2021 und sogar 186 Fälle mehr als 2019. Einen extremen Anstieg gab es bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern - im Vergleich zum Vorjahr wuchs die Zahl der Fälle 2022 um knapp 30 Prozent auf 4702, seit 2019 gab es sogar einen Anstieg um fast 170 Prozent. Bei sogenannter Jugendpornografie gab es 786 Fälle - 44,5 Prozent mehr als 2021 und 148 Prozent mehr als 2019. Das bedeute auch eine ganz erhebliche Herausforderung für die Polizei, erklärte Landespolizeispräsident Axel Brockmann. Im laufenden Jahr sei eine weitere personelle Verstärkung geplant.

Häusliche Gewalt: In Bezug auf die sogenannte häusliche Gewalt gibt es eine bundesweite Definition, demnach umfasst dies nicht nur partnerschaftliche und ex-partnerschaftliche, sondern auch familiäre Gewalt. Im vergangenen Jahr erfasste die Polizei nach dieser Definition insgesamt 26.997 Fälle in Niedersachsen - 11,08 Prozent mehr als 2021. Meist ging es um Körperverletzungen, deren Anteil betrug fast 62 Prozent. Mordfälle in dem Zusammenhang gab es im vergangenen Jahr 10 (2021: 8), außerdem wurden 20 (12) Fälle von versuchtem Mord registriert. „Häusliche Gewalt ist keine private Angelegenheit, sondern eine Straftat, die konsequent geahndet werden muss“, betonte Behrens. „Nicht nur Frauen leiden unter zumeist männlicher Gewalt.“ Auch Kinder, die Gewalt erführen oder das Leid ihrer Mütter erlebten, trügen eine „schwere Last mit sich“.

Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte: Fast 4300 Taten richteten sich 2022 gegen Polizeibeamte, überwiegend handelte es sich um Widerstandsdelikte, tätliche Angriffe und Bedrohungen. Das bedeute einen Anstieg um 17,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, sagte Brockmann. Auch Rettungsdienste und Feuerwehr wurden vermehrt Opfer von Angriffen. Hier stieg die Zahl der Straftaten um 17,4 Prozent auf 283. Das sei „für mich völlig inakzeptabel“, betonte Behrens. Der Mangel an Respekt und die Ablehnung staatlicher Strukturen müssten als Herausforderung für die Demokratie begriffen werden - darüber wolle sie auf der kommenden Innenministerkonferenz diskutieren. Die Gewerkschaft Verdi beklagte, sie weise seit Jahren auf Probleme hin: „Passiert ist bislang leider wenig“, sagte Verdi-Fachbereichsleiter Martin Peter. Die Politik müsse dringend handeln.

Kinder- und Jugendkriminalität: Die Zahl junger Tatverdächtiger unter 21 Jahren stieg im vergangenen Jahr auf rund 46.700 - nach rund 40.000 ein Jahr zuvor. Im Vor-Corona-Jahr 2019 lag die Zahl auf einem vergleichbaren Niveau (46.535). Der Anteil der Jungen und Mädchen unter 14 Jahren, die als Tatverdächtige ermittelt wurden, stieg auf 14 Prozent - in den Jahren 2019 und 2021 lag der Anteil bei etwa 11 Prozent. Sie beobachte dies mit Sorge, sagte Behrens.