Northeim (dpa/lni). Wegen des russischen Angriffs auf sein Land ist der ukrainische Puppenspieler Serhij Wyssozkyi über Umwege nach Northeim geflohen. Trotz Sprachbarriere fühlt er sich gut aufgenommen. Denn: Ein Projekt hat ihn zu Gleichgesinnten vermittelt.

Ein ukrainischer Puppenspieler hat nach seiner Flucht eine neue Heimat in Northeim gefunden. Das Besondere: Über den internationalen Puppenspielerverband Unima ist er bei Gleichgesinnten untergekommen. Nun will er seinen Beruf wieder aufnehmen, wie Serhij Wyssozkyi erzählt.

„Ich fühle mich hier nicht fremd“, sagt der 51 Jahre alte Puppenspieler, der gemeinsam mit seiner Frau Olha Wyssozka vor dem Krieg in seinem Heimatland geflohen ist. Wyssozkyi spricht russisch; ein Dolmetscher übersetzt für ihn.

Seit Mai 2022 lebt er in Northeim - gerade einmal gut 100 Meter vom Theater der Nacht entfernt. Das Figurentheater spielt für seine Flucht und sein Wohlbefinden eine zentrale Rolle: Es half ihm eine Unterkunft zu finden. Mittlerweile arbeitet er für das Theater und bekommt ein kleines Honorar, wie die Theater-Vorsitzende Ruth Brockhausen erklärt.

Von März an führt Wyssozkyi das Stück „Zwerge in der Feuerwache“ in dem Northeimer Theater auf. Das Puppenspiel für Kinder ab zwei Jahren zeigt die Geschichte des Theaters der Nacht. Auch in der Ukraine machte er vor allem Puppentheater für Kinder.

Bei seinem neuen Stück verzichtet der Künstler auf Worte. Ein Grund: Er spricht bisher bis auf ein paar Worte kein Deutsch. Ein im vergangenen Jahr geplanter Sprachkurs fiel aus, weil die Lehrerin krank wurde. „Vermutlich kann ich jetzt ab März an einem Kurs teilnehmen“, sagt er.

Nach der Flucht sind Serhij und seine Frau Olha in Northeim zur Ruhe gekommen, wie er erzählt. Vor allem für seine Frau, die nach einem Schlaganfall 2015 teilweise gelähmt ist, sei die Flucht belastend gewesen.

Vor dem Krieg lebte die vierköpfige Familie in Mykolajiw - gut eine Autostunde entfernt von der Monate lang besetzten Stadt Cherson im Süden der Ukraine. Als der russische Angriff am 24. Februar begann, machte sich die Familie sofort auf in Richtung des nahen Moldawiens. „Das war schwer zu ertragen, sein Haus zu verlassen und zu wissen, dass man es in Zukunft nicht mehr sehen wird.“

„Tankstellen waren geschlossen, Autobahnen überfüllt oder gesperrt. Wir mussten über Felder fahren“, berichtet Wyssozkyi. Als sie an der Grenze ankamen war diese bereits geschlossen. Über Umwege gelangten Serhij und Olha letztlich doch noch nach Moldawien - seine zwei Söhne durften allerdings nicht ausreisen. Beide leben aktuell in Czernowitz im Westen der Ukraine. „Wir haben täglich Kontakt. Aber weil sie so weit weg sind fühlt es sich manchmal so an, als hätte ich gar keine Kinder“, sagt Wyssozkyi. „Die Nähe fehlt.“

Über den internationalen Puppenspielerverband Unima kamen Wyssozkyi und seine Frau letztlich von Moldawien nach Northeim. Seine Kunst bietet dem Puppenspieler dort Ablenkung. „Ich kann hier ganz viel ausprobieren“, sagt er. Für die Zukunft kann er sich vorstellen in Deutschland zu bleiben. „Ich denke in der Ukraine ist in den kommenden Jahren kein Platz für meine Kunst.“