Karlsruhe. Ein IS-Mann bindet ein versklavtes, jesidisches Mädchen im Irak unter sengender Sonne im Freien an. Das Kind stirbt. Auch der Ex-Frau wurde der Prozess gemacht. Das Urteil wird nun ein Fall für den BGH.

Der Bundesgerichtshof (BGH) befasst sich am Donnerstag (11.15 Uhr) mit einem Urteil gegen eine IS-Rückkehrerin, deren Ex-Mann ein versklavtes, jesidisches Mädchen draußen ankettete und verdursten ließ. Das Oberlandesgericht München hatte Jennifer W. aus Lohne in Niedersachsen im Oktober 2021 unter anderem wegen Beihilfe zum versuchten Mord, zum Versuch eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit und eines Kriegsverbrechens sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Gegen das Urteil haben sowohl der Generalbundesanwalt als auch die heute 31-Jährige Revision eingelegt.

Verhandelt wird in Karlsruhe allerdings erstmal nur über den Antrag der Bundesanwaltschaft, der sich auf die Höhe der Strafe bezieht. Die Anklagebehörde hatte in München eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Das Gericht ging aber von einem minderschweren Fall aus. Zugunsten wertete der Senat insbesondere, dass die Angeklagte nur eingeschränkte Möglichkeiten gehabt habe, die Versklavung des Kindes und seiner Mutter zu beenden und dass sie erst sehr spät erkannt habe, dass das Mädchen infolge der Bestrafungsaktion sterben könnte.

Die Verteidigung hatte eine maximal zweijährige Haftstrafe gefordert. Aus ihrer Sicht sollte Jennifer W. lediglich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt werden. Das Rechtsmittel der Frau bewertet der dritte Strafsenat am BGH separat. Er könnte auch in diesem Fall eine Verhandlung ansetzen, das ist aber - anders als bei einer Revision der Bundesanwaltschaft - keine Pflicht.

In beiden Fällen prüft der BGH das Münchner Urteil ausschließlich auf Rechtsfehler. Er hört also keine Zeugen und erhebt keine Beweise. Die obersten Strafrichter Deutschlands können das Urteil der Vorinstanz dann bestätigen, selbst abändern oder aufheben. Im letzten Fall müsste in München neu über die strittigen Teile verhandelt werden.

Das Gericht dort hatte es als erwiesen angesehen, dass Jennifer W. tatenlos dabei zusah, wie ihr damaliger Ehemann als Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im Irak im Sommer 2015 ein erst fünf Jahre altes Kind bei sengender Mittagssonne in einem Hof qualvoll sterben ließ. Das Mädchen sei wehrlos und hilflos der Situation ausgesetzt gewesen. Die Angeklagte habe nichts unternommen, um dem Kind zu helfen - obwohl ihr das „möglich und zumutbar“ gewesen sei. Zudem habe sie der Mutter der Fünfjährigen später - als diese um ihr Kind weinte - gedroht, sie zu erschießen, wenn sie nicht aufhöre.

Den Ex-Mann hatte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main im November 2021 des Völkermordes, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und eines Kriegsverbrechens mit Todesfolge für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem muss er der Mutter des Mädchens 50 000 Euro Schadenersatz zahlen. Dieses Urteil bestätigte der BGH just vergangene Woche auf die Revision des Mannes hin.

Jesiden sind Kurden aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran und bilden eine religiöse Minderheit. Mehr als 5000 Angehörige der jesidischen Religionsgemeinschaft hatte die Terrormiliz IS im Jahr 2014 ermordet. Vergangene Woche erkannte der Bundestag die Massaker als Völkermord an. In Deutschland lebe die größte jesidische Diaspora weltweit, heißt es in dem Text weiter. Der Bundestag werde sich mit Nachdruck für den Schutz jesidischen Lebens hierzulande einsetzen.