Hannover (dpa/lni). In der Multi-Krise können Städte und Gemeinden jeden zusätzlichen Euro an Steuereinnahmen gut und dringend gebrauchen. Über Gebühr dürften Bürger und Unternehmen aber nicht zur Kasse gebeten werden, mahnen verschiedene Stimmen. Sind Ausgabenkürzungen eine Alternative?

Die Wirtschaft und der Bund der Steuerzahler in Niedersachsen befürchten, dass eine steigende Grundsteuer-Belastung den inflationsbedingt schon starken finanziellen Druck auf Verbraucher und Unternehmen noch weiter vergrößern könnte. In knapp einem Zehntel der Kommunen im Land habe es seit dem Jahresbeginn eine „im Durchschnitt sehr deutliche“ Erhöhung der sogenannten Hebesätze gegeben. Dies teilte der Kammer-Dachverband IHKN am Dienstag in Hannover unter Berufung auf eine eigene Firmenumfrage mit. Und bei der Gewerbesteuer gehe es mancherorts ebenfalls spürbar nach oben.

Die oft enormen Kostenzuwächse machen auch den Kommunen das Leben schwer, etwa beim Betrieb von Bädern, kommunalen Kliniken oder sonstigen Betrieben in öffentlicher Trägerschaft. Anstatt zunehmende Hebesätze zu beschließen, sollten sie aber nach anderen Optionen zum Ausgleich der Budgets suchen, schlug IHKN-Chef Andreas Kirschenmann vor: „In der prekären wirtschaftlichen Lage sind Steuererhöhungen das Letzte, was Unternehmen und Bürger gebrauchen können.“

Ähnlich kritisch äußerte sich das niedersächsische Büro des Steuerzahler-Bundes. „Weitere Verschärfungen bei den Grund- und Gewerbesteuern sind angesichts sprunghaft gestiegener Energiepreise und hoher Inflationsraten nicht verkraftbar“, meinte Landeschef Bernhard Zentgraf. Alternativ sollten die Kommunen überlegen, ob sie sämtliche Ausgaben im derzeitigen Umfang noch bräuchten.

Beim Thema Grundsteuer kommt hinzu, dass die nötigen Zusatzangaben wegen der reformierten Berechnungsgrundlagen viele Grundstücks- und Hauseigentümer zu verwirren scheinen. Die Länder-Finanzminister hatten entschieden, die Abgabefrist bis Ende Januar zu verlängern.

Bereits in den Vorjahren gab es vor allem bei der Gewerbesteuer eine erhebliche Spannweite in Niedersachsen. Im Herbst 2021 hatte der IHKN noch vom „Abebben der Erhöhungswelle“ gesprochen - das Gesamtniveau und die regionalen Unterschiede seien jedoch recht hoch geblieben.

Auch im laufenden Jahr gehören nach Kammerangaben unter anderem die Gemeinden Wathlingen (Kreis Celle) und Sande (Kreis Friesland) zu den Kommunen mit den höchsten Hebesätzen. Zu den „günstigsten“ Standorten gehören erneut Bokensdorf (Kreis Gifhorn), Grethem und Hademstorf (Heidekreis), Steinfeld (Kreis Vechta) sowie Waake (Kreis Göttingen).

Hebesätze sind Faktoren, mit denen Städte und Gemeinden das Volumen ihrer Steuereinnahmen beeinflussen können. Höhere Einnahmen müssen dabei mit geringeren Steuern als Standort-Kriterium abgewogen werden.

Ein damit verbundener Zielkonflikt ist, dass viele kommunale Dienstleistungen wichtig und erwünscht sind, sich jedoch aus Sicht von Bürgern und Betrieben angesichts der Rekordinflation nicht auch noch zu sehr verteuern sollen. Dabei werden steigende Steuereinnahmen für die kommende Jahren schon auf Basis der geltenden Prognosen als relativ sicher angenommen. Bundesweit gingen die Steuerschätzer zum letzten Stand Ende Oktober bis 2026 von insgesamt 126,4 Milliarden Euro mehr für Bund, Länder und Kommunen aus, als noch im Mai vorhergesagt worden war - trotz Energiekrise und drohender Rezession.

Zentgraf warnte im Hinblick auf die Grundsteuer, dass „die Anhebungsdynamik in den nächsten Jahren weiter an Fahrt aufnehmen könnte“. Zu hinterfragen sei etwa schon jetzt, warum Hannover ab 2024 einen wichtigen Satz stark erhöhen wolle. „Der Hebesatz der Landeshauptstadt dient vielen Kommunen gedanklich als absolute Obergrenze, die man aus politischen Gründen keinesfalls überschreiten will.“ Bald könnten dann allerdings andere Gemeinden folgen.