Hannover (dpa/lni). Der Ministerpräsident will die Entlastungspakete des Bundes in der Energiekrise um ein Landesprogramm ergänzen - so er denn Anfang Oktober wiedergewählt wird. Die Kritik lässt nicht auf sich warten.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat für den Fall seiner Wiederwahl ein fast eine Milliarde Euro schweres Entlastungspaket des Landes in der Energiekrise in Aussicht gestellt. «Nach meiner Überzeugung steuert Deutschland auf die größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte zu», sagte der SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl am Montag in Hannover. Damit sich daraus keine soziale und wirtschaftliche Krise ergebe, müsse der Staat nun aktiv eingreifen, auch auf Landesebene. Der Herausforderer der CDU, Bernd Althusmann, wies die Pläne scharf zurück.

Weils Fünf-Punkte-Programm zur Entlastung umfasst 970 Millionen Euro:

- Mit 250 Millionen Euro sollen Kitas und Schulen unterstützt werden, etwa mit Zuschüssen für die Heizkosten (100 Mio. Euro) und für das Mittagessen (100 Mio. Euro). Außerdem soll zusammen mit dem Bund ein Schutzschirm für die Stadtwerke aufgespannt werden.

- 220 Millionen Euro sind für soziale Maßnahmen vorgesehen. Darunter fallen die bereits von der Regierung angekündigten 100 Millionen Euro für regionale Härtefallfonds, die besonders belasteten Verbrauchern helfen sollen, sowie für eine Stärkung der Beratungskapazitäten und Tafeln. Die übrigen 120 Millionen Euro sollen für einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets im Nahverkehr bereitgestellt werden.

- Für kleine und mittlere Unternehmen, deren Existenz gefährdet ist, will der Regierungschef schnell ein Unterstützungsprogramm von 200 Millionen Euro auflegen. Welche Kriterien die Betriebe dafür erfüllen müssten, ließ Weil zunächst offen. Er fügte aber an, dass es auch Unternehmen gebe, denen das Land nicht helfen könne.

- Ebenfalls 200 Millionen Euro sieht die SPD für den Bereich Gesundheit, Pflege und soziale Infrastruktur vor. Davon wären 50 Millionen Euro für gestiegene Baukosten von Krankenhäusern gedacht. Die Absicherung der Wohlfahrtspflege sowie die Abfederung höherer Mensa-Preise und Mieten an den Universitäten schlügen dem Plan zufolge mit jeweils 30 Millionen Euro zu Buche. Die übrige Summe werde für weitere Notlagen bereitgehalten.

- Mit weiteren 100 Millionen Euro wollen die Sozialdemokraten die Existenz von Kultureinrichtungen und Sportvereinen sichern.

Finanziert werden soll das Paket dem Ministerpräsidenten zufolge aus Steuermehreinnahmen, die auch inflationsbedingt in diesem Jahr deutlich über den Erwartungen lägen. Beschlossen werden könnte ein solcher Nachtragshaushalt nach Weils Worten in einer Sondersitzung des Landtags im November oder in der regulären Sitzung im Dezember.

Der Landtag wird am 9. Oktober neu gewählt. In Umfragen lag Weils SPD zuletzt auf Platz eins vor der CDU und den Grünen.

Auf die Frage, ob er versucht habe, das Entlastungspaket noch vor der Wahl zusammen mit der CDU umzusetzen, antwortete Weil: «Nein, da mache ich mir auch keine Illusionen.» Er sei sich sicher, dass etwa Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) das nicht mitmachen würde.

CDU-Herausforderer Bernd Althusmann, derzeit Wirtschaftsminister, sagte, er halte die SPD-Pläne für «unseriös». «Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung zur Entlastung der Menschen und Unternehmen im Land zünden nicht. Es kann aber nicht Aufgabe der niedersächsischen Steuerzahler sein, die Zeche dafür zu zahlen», sagte er. «Es hilft nicht, mit der Gießkanne Millionen zu verteilen, wir müssen gezielt helfen.»

Althusmann betonte, in unverschuldeten Krisensituationen werde das Land selbstverständlich helfen. Dafür müssten zuerst die hohen Gas- und Strompreise gesenkt werden. «Dazu brauchen wir jede Kilowattstunde und einen Energiepreisdeckel. Dazu kommt von der Ampel aus Berlin aber bislang nichts. Ohne eine Stabilisierung der Energiekosten bleibt jedes Rettungspaket ein Strohfeuer», sagte er.

Die Grünen-Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg kritisierte den Zeitplan der SPD als zu spät. Ihre Fraktion fordert, rund 2,8 Milliarden Euro aus dem Corona-Sondervermögen, die bisher nicht ausgegeben wurden, für die Linderung der Energiekrise freizugeben.

Auch FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner erklärte, es gebe «keinen zwingenden Grund, auch bei diesen Hilfen bis nach der Wahl zu warten». Die Liberalen seien gesprächsbereit und gewillt, Beschlüsse noch in dieser Woche im Landtagsplenum herbeizuführen.