Hannover. In der Energiekrise nehmen die Bundesländer die Ampelkoalition in die Pflicht: Es bleibe kaum noch Zeit für Entlastungen. Außerdem machen sie einen konkreten Vorschlag zur Beschleunigung der Energiewende.

Die Energieminister der Bundesländer haben sich gemeinsam für eine Diskussion über eine Photovoltaik-Pflicht für alle Neubauten ausgesprochen. «Wir wollen, dass es eine Solarpflicht in Deutschland gibt für alle Neubauten und bei grundlegenden Sanierungen und auch für Neubauten in Europa», sagte Baden-Württembergs Energieministerin Thekla Walker (Grüne) nach einem Treffen der zuständigen Minister am Mittwoch in Hannover. Wenn es künftig saubere, sichere und günstige Energie geben solle, müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien jetzt deutlich beschleunigt werden.

Wörtlich heißt es im Beschluss: «Eine Photovoltaik-Pflicht für alle Neubauten sollte diskutiert werden. Beim Sozialwohnungsbau und der Sanierung in diesem Bereich sollte eine komplette Belegung von Dächern mit Solarmodulen vorgesehen werden.»

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung nimmt einen Ausbau der Solarenergie auf Dachflächen ebenfalls in den Blick. Darin heißt es, bei gewerblichen Neubauten solle dies verpflichtend, bei privaten Neubauten die Regel werden.

Die Minister riefen zudem dazu auf, schnellstmöglich ein Modell zur Begrenzung der Kosten für Gas, Strom und Wärme zu finden - für private Verbraucher ebenso wie für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen. Auf ein konkretes Modell legten sie sich dabei indes nicht fest.

Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) warnte, die Energiekrise habe sich bereits zu einer «massiven Existenzkrise für die Unternehmen» weiterentwickelt, die «schlimmer als zu Corona-Zeiten» sei. Viele Betriebe berichteten ihm, sie hätten nur noch wenige Wochen Zeit. «Wenn nicht noch vor Weihnachten massivst die Energiepreise gesenkt werden für die Unternehmen respektive die hohen Energierechnungen teilweise vom Staat bezahlt werden, dann machen die dicht», sagte Aiwanger. «Wir haben hier wirklich die Pistole auf der Brust, hier zu liefern.» In der Verantwortung sei die Bundesregierung, dieses Problem zu lösen.

Der Energieminister des Vorsitzlandes Niedersachsen, Olaf Lies (SPD), appellierte eindringlich an den Bund, sich von der Schuldenbremse zu lösen. «Wir brauchen eine Abkehr von dieser bisherigen Verweigerungshaltung, die Schuldenbremse nicht anzugehen. Wir stecken in einer der größten Krisen, die wir in Deutschland gehabt haben», sagte Lies. Jetzt brauche es einen starken, handlungsfähigen Staat.

Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, hob hervor, dass die Energieversorgung derzeit sicher im Griff sei, obwohl bereits heute kein Gas mehr aus Russland komme. Allerdings dürfe das Land bei den Einsparungen nicht nachlassen. Er rief die Bürger dazu auf, jetzt für einen effizienteren Betrieb ihrer Heizungen zu sorgen, etwa mit geringeren Vorlauftemperaturen oder einer Entlüftung der Heizkörper.

Graichen erneuerte darüber hinaus das Versprechen der Bundesregierung, das dritte Entlastungspaket zügig umzusetzen. Noch im Herbst würden entsprechende Maßnahmen ergriffen, sagte er. «Wir lassen die Bürgerinnen und Bürger, wir lassen die Unternehmen nicht im Stich.» Gleichzeitig brauche es aber auch eine Ausbauoffensive für die erneuerbaren Energien. Graichen sprach von einem «Booster»: So sollten mit schnelleren Genehmigungen und mehr Flächen für Solar- und Windkraft schon 2023 deutlich höhere Ausbauzahlen erreicht werden.

Weiterhin will die Bundesregierung steuerliche und bürokratische Hürden für den Betrieb von Photovoltaikanlagen unter anderem auf Privathäusern abbauen. Einen entsprechenden Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner beschloss das Kabinett am Mittwoch. Viele Bürger scheuten Solaranlagen bisher aus bürokratischen Gründen, sagte der FDP-Politiker. Deshalb sollen Einnahmen daraus bis zu einer bestimmten Leistung nun von der Ertragsteuer befreit werden. Auf Lieferung und Installation soll unter bestimmten Umständen auch keine Mehrwertsteuer mehr anfallen.