Hannover (dpa/lni). Betrüger setzen auf eine perfide Masche: Die Tochter hat einen Autounfall und braucht Tausende Euro für eine Kaution. Die Zahl der Schockanrufe in Deutschland steigt. Selbst erfahrene Fachleute fallen auf die emotionalen Anrufe herein.

Der Anruf erreichte ihn unvorbereitet. Seine Tochter habe bei einem Autounfall ein Kind totgefahren und stehe unter psychischem Schock. Um einen Haftbefehl abzuwenden, brauche sie 55.000 Euro. Selbst so erfahrene Kriminologen wie Christian Pfeiffer treffen solche Schockanrufe. Als er seine Erfahrungen am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit der Polizei Hannover teilte, ist dem früheren Direktor des kriminologischen Forschungsinstituts anzumerken, wie sehr ihn dieses Erlebnis mitgenommen hat.

Der Schwindel der Trickbetrüger auf der anderen Seite der Telefonleitung bewegte Pfeiffer sogar dazu, Kontakt mit seiner Bank aufzunehmen, um das Geld zu besorgen. Geschickt ließen die Betrüger Details wie den Namen der Tochter und die Farbe ihres Autos einfließen - es habe absolut glaubwürdig gewirkt, versicherte er. Nur durch den zufälligen Ausfall der Technik und seinem Versuch, über die Rufnummer 110 wieder Kontakt zu der Person herzustellen, flog der Betrug auf. Ab da stand er unter Polizeischutz.

Schockanrufe werden nach Einschätzung der Polizeidirektion Hannover zu einem größeren Problem. Allein in Fällen mit falschen Polizeibeamten sei in der vorläufigen Statistik eine monatlich steigende Tendenz der Fallzahlen zu beobachten, die gesamte Schadenssumme liege bei über zwei Millionen Euro, teilte das Landeskriminalamt Niedersachsen mit.

Die Gesamtzahl der Fälle mit falschen Polizeibeamten liege im ersten Halbjahr im mittleren vierstelligen, die Zahl der Taten, bei denen die Täter Geld erbeuteten, im oberen zweistelligen Bereich. Telefonbetrug allein werde nicht gesondert erfasst, so die Polizei. Häufig rufen die Betrüger aus dem Ausland an, auf dem Display des Telefons erscheint dennoch meist eine deutsche Nummer.

Nachdem Pfeiffer den betrug bemerkte, versuchte er, gemeinsam mit der Polizei die Betrüger zu fassen. Klar sei ihm gewesen, er werde höchstwahrscheinlich beobachtet. Mit verdecktem Polizeischutz machte sich Pfeiffer auf den Weg zur Bank und schob einen Zettel hin, auf dem stand «Betrug: 55.000 Euro». Die Mitarbeiterin steckte in eine kleine Tasche gewöhnliches Papier hinein. Von weitem betrachtet hätte es eine Mappe voller Bargeld sein können, sagte er. Währenddessen blieb er ständig mit den Betrügern am Telefon verbunden.

Mittlerweile war es gegen 2.00 Uhr in der Nacht. Die Betrüger forderten Pfeiffer auf, das Geld nach Hildesheim zu bringen. Aus Sicherheitsgründen brach die Polizei die Aktion ab. Die Gefahr war zu hoch, dass Pfeiffer etwas auf dem Weg passieren könnte. So wurden die Täter nicht gefunden.

Die Polizei steht vor der großen Herausforderung, den Trickbetrügern entgegenzuwirken. Die Dunkelziffer der Vorfälle sei sehr hoch, denn viele Opfer würden sich schämen, darauf hereingefallen zu sein, hieß es von der Polizei. Volker Kluwe, Präsident der PD Hannover, rät, immer misstrauisch und sensibel zu bleiben. «Drücken Sie nicht die Rückruftaste», dies führe zu häufigeren Anrufen. Opfer sollten stets die Polizei benachrichtigen, das helfe bei der Aufklärung.